Digitaler Wandel: Trendwende im Versicherungsmarkt

Digitalisierung

Die Mehrheit der Versicherer in Deutschland gibt sich angesichts der unzähligen Technologie-Start-ups, die in den Markt treten, gelassen: Nur 46 Prozent, so ergab eine Ende 2017 erschienene Studie der Managementberatung Sopra Steria Consulting, betrachten den Wettbewerb durch Insurtechs (Start-ups im Versicherungsbereich) als große Herausforderung für das eigene Geschäftsmodell. Die anderen 54 Prozent geben sich angesichts digitaler Vollversicherer erst einmal gelassen - und dem damit einhergehenden Umbruch der Branche. Denn selten herrschte auf dem Versicherungsmarkt so viel Bewegung wie momentan: Im Jahr 2017 wurden laut „Insurtech Radar 2017“ der Strategieberatung Oliver Wyman und Policen Direkt erstmals mehr als 100 Start-ups gegründet, die sich mit dem Thema Versicherungen beschäftigen.

Neu im Markt ist beispielsweise das Berliner Unternehmen Getsurance, das im vergangenen Jahr Deutschlands erste digitale Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) startete (DFPA berichtete). Der Online-Abschluss von „Getsurance Job“ ist innerhalb weniger Minuten dank automatisierter Risikoprüfung möglich. Zielgruppe: digital-affine Menschen. „Als Start-up sind wir dynamisch, haben kurze Entscheidungswege und verwenden agile Entwicklungsmethoden. Deshalb sind wir die ersten, die eine digitale BU realisiert haben”, sagte Johannes Becher zum Start des Angebotes. Für die versicherungstechnische Absicherung sorgt der Rückversicherer Reinsurance Group of America (RGA), einer der größten Rückversicherer weltweit. Das Start-up, das zuvor zwei Millionen Euro an Investitionsgeldern eingesammelte hatte und damit eine der größten Frühphasen-Finanzierungen im Bereich Insurtech für sich verbuchen konnte, überzeugte auch die Inhaber der Rating-Agentur Franke und Bornberg von sich: Michael Franke und Katrin Bornberg unterstützten das Unternehmen mit einem Angel-Investment in Höhe von 500.000 Euro. Den größten Rückversicherer weltweit, die Münchner Re, weiß die One Versicherung hinter sich. Die Tochter der Wefox Group bietet seit diesem Jahr Versicherungen für deutsche Kunden an und agiert ausschließlich digital und mobil. Das Versicherungsangebot, welches momentan aus Hausrat- und Haftpflichtdeckungen besteht, soll noch in diesem Jahr um eine Lebensversicherung erweitert werden. Durch eine einfache Abwicklung per App (Motto: „Eine App, kein Papierkram“) will sich das Unternehmen mit Sitz in Liechtenstein von traditionellen Versicherungen absetzen.

Ebenso aktiv im Markt: Der Ende 2016 gegründete Digitalversicherer Neodigital, dem es unter anderem durch strategische Partner wie Ernst & Young gelang, innerhalb von acht Monaten die zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit notwendige Zulassung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu erhalten. Kunden können ihre Verträge täglich kündigen, Und Vertriebspartnern wird die Möglichkeit geboten, eine eigene Versicherungslösung zu kreieren. Die Umsetzung einer individualisierten Lösung erfolgt seitens Neodigital innerhalb kürzester Zeit, so heißt es beim Unternehmen. Auf Schnelligkeit setzt auch Getsafe: Das Heidelberger Start-up, das ursprünglich als Versicherungsmakler startete, lockt Kunden mit dem Versprechen, eine individuelle Versicherung in fünf Minuten zu erstellen.

Viel Bewegung also im Markt. Doch der rapide Wandel zu Digitalprodukten bietet auch den etablierten Versicherern große Wachstumschancen. Etwa durch Kooperationen mit den vermeintlichen Konkurrenten. So arbeitet die Allianz unter anderem mit Simplesurance zusammen, Anbieter von Produktversicherungen. Bereits seit 2016 ist der Versicherungskonzern an dem Unternehmen, das im Endkundengeschäft unter dem Namen Schutzklick.de auftritt, beteiligt. Im vergangenen Monat wurden noch einmal neue Gelder zugesichert. Weitere Partnerschaften: Die Axa kooperiert mit dem Online-Versicherungsmakler Friendsurance, die Gothaer mit dem Berliner Start-up Emil, das einen neuen Telematik-Tarif testet. Und die Ergo hat sich mit oben genanntem Insurtech Wefox zusammengetan.

Doch nicht nur auf Kooperationen mit den Insurtechs setzen die großen Versicherer, sondern auch auf deren Umgang mit Kundenbedürfnissen. So brachte etwa die Allianz die „PrivatRente Perspektive“, die beliebteste Vorsorgevariante der Allianz Leben, im April 2018 online an den Start. Der digitale Abschluss ist in rund 15 Minuten möglich. Mit der digitalen Abschlussmöglichkeit reagiert der Konzern laut eigener Angabe auf das sich verändernde Verhalten der Verbraucher. „Unsere Kunden entscheiden, welche Informationen sie benötigen, wie sie mit uns kommunizieren und wie sie einen Vertrag abschließen möchten. Daher weiten wir unser Onlineangebot nun auch in der Altersvorsorge aus“, sagt Alf Neumann, Digitalisierungsvorstand der Allianz Leben. Diese Multi-Channel-Strategie der Allianz habe sich bereits bei den digitalen Abschlüssen der Berufsunfähigkeit und der Risikolebensabsicherung bewährt.

Aber auch wenn noch nicht alle Kunden bereit sind für einen komplett digitalen Abschluss: Im Vertrieb werden in den kommenden Jahren massive Veränderungen erwartet. Prognostiziert wird laut einer im April erschienenen Studie der Versicherungsforen Leipzig und des Softwarehersteller Adcubum, dass in zehn bis 15 Jahren künstliche, intelligente Systeme den klassischen Versicherungsvermittler weitgehend ersetzt haben. Bislang habe sich der Versicherungsvertrieb in Deutschland durch die Digitalisierung allerdings nur wenig verändert. So finden 75 Prozent aller Neuabschlüsse noch immer über klassische Vermittler statt. „Die Förderung des Direktvertriebs wird von Anbietern mitunter bewusst vernachlässigt“, sagt Dr. Holger Rommel, Chief Operating Officer (COO) von Adcubum. Mit Blick auf die Kundenerwartungen sei das jedoch der falsche Weg. „Unsere repräsentativen Umfragen zeigen, dass sich mehr als 50 Prozent der Bundesbürger bereits vorstellen können, eine Versicherung komplett online abzuschließen, also ohne persönliche Beratung“, so Rommel. Fast ebenso viele halten den persönlichen Kontakt jedoch weiterhin für wichtig. Deshalb werde der klassische Vermittler mindestens noch zehn Jahre gebraucht. „Er wird technisch stärker unterstützt werden, und zwar auf sämtlichen Stufen des Vertriebsprozesses, also von der Anbahnung des Kundenkontakts bis hin zum Abschluss“, sagt Vincent Wolff-Marting, Leiter Kompetenzteam Digitalisierung und Innovation bei den Versicherungsforen Leipzig. Ein Vorreiter in Sachen Technologie gepaart mit persönlichen Service ist etwa der Versicherungsmanager Clark. Kunden können ihre Versicherungen digital auf dem Smartphone oder Computer managen. Durch eine Robo-Technologie erhält der Kunde Einschätzungen seiner Verträge und personalisierte Versicherungsvorschläge - auf Wunsch beraten persönliche Experten per Telefon, E-Mail und Chat den Kunden. Seit der Gründung im Juli 2015 konnte Clark rund 100.000 Kunden für seinen digitalen Versicherungsservice gewinnen und zählt damit zu einem der größten Insurtechs in Europa. Jüngst hat das Unternehmen mit einer Summe von 29 Millionen Dollar die bisher größte Series B Finanzierung eines Insurtechs in Europa abgeschlossen. Ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgt Moneymeets mit einem volldigitalen Versicherungs-Robo-Advisor. Die Anwendung, die als White-Label-Lösung auch Banken und Finanzvertrieben zur Verfügung gestellt wird, ermöglicht Verbrauchern den Zugang zu den Angeboten von über 160 deutschen Versicherungsgesellschaften.

Doch damit nicht genug: Bald könnten die Karten im Versicherungsmarkt noch einmal neu gemischt werden. Denn nicht nur Start-ups drängen in den Markt, sondern auch große Internetkonzerne im Onlinebereich. So hat vor wenigen Monaten Amazon in Großbritannien Interesse für den Versicherungsmarkt geäußert. In Stellenanzeigen soll der Online-Versandhändler Versicherungsexperten für den Standort London gesucht haben - nach Möglichkeit auch mit deutschen, französischen oder spanischen Sprachkenntnissen. Das Unternehmen wolle die Kundenerfahrung aus Produktversicherungen neu definieren und dabei verändern, wie die Policen gekauft und verkauft werden. Amazons Vorteil: Das Unternehmen verfügt über einen riesigen Pool an Kundendaten. Experten schätzen, dass auch Internetriesen wie die Google-Mutter Alphabet oder Facebook bald in Konkurrenz zu Versicherungsunternehmen treten könnten.

Fazit: Die Dynamik der Digitalisierung hat mittlerweile auch die teils noch sehr konservative Versicherungsbranche erreicht. Wenn die etablierten Konzerne die neue Konkurrenz als Herausforderung sehen und wie diese die Kundenbedürfnisse nach unkompliziertem Versicherungsschutz in den Vordergrund stellen, könnten die Insurtechs eher Segen als Bedrohung für die Branche darstellen. Wie sich allerdings der Eintritt großer Internetkonzerne auswirken wird, bleibt abzuwarten. (MB)

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in EXXECNEWS Ausgabe 12/2018.

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