Dr. Klein: "Strategiewechsel der Fed zementiert ultralockere Geldpolitik"
Das Rekordtief vom März 2020 haben die Bauzinsen zwar nicht wieder erreicht, besonders weit davon entfernt sind sie aber auch nicht. Der Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen liegt weiterhin bei 0,36 Prozent. Auch die Konditionen für längere Zinsbindungen haben sich seit August nicht bewegt und deuten weiter darauf hin, dass uns die Niedrigzinsphase noch lange Zeit begleiten wird. Darlehen mit 20 Jahren Zinsbindung erhalten Kreditnehmer ab 0,92 Prozent, 15-jährige Darlehen ab 0,66 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Zinskommentar des Baufinanzierungsvermittlers Dr. Klein hervor.
Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein, erwartet auf absehbare Zeit keine Änderung des sehr niedrigen Zinsniveaus: „Selbst wenn die Inflation wieder anziehen sollte, rechne ich nicht direkt mit steigenden Zinsen. Viele Staaten können sich deutlich höhere Zinsen aufgrund ihrer Rekordschuldenstände kaum leisten. Der EZB sind damit ein Stück weit die Hände gebunden und sie kann nicht mit starken Zinserhöhungen gegensteuern.“
Die ultralockere Geldpolitik ist in den Jahren seit der Finanzkrise fast zu einer neuen Normalität geworden – sowohl in Europa als auch in den USA. Die US-Währungshüter sind Ende August auf ihrer jährlichen Konferenz in Jackson Hole nun einen Schritt weiter gegangen und haben ihre Strategie grundlegend neu ausgerichtet: Auch im Fall einer wirtschaftlichen Erholung kann die Fed nun eine steigende Inflation in Kauf nehmen und die Zinsen weiter niedrig halten. Die angestrebten zwei Prozent Inflation sind ab sofort nicht mehr Punktziel, sondern lediglich ein Durchschnittsziel. „Die Strategieänderung kam nicht unerwartet, hat aber enorme Auswirkungen auf die künftige Geldpolitik“, meint Neumann. „Sie lässt der Fed sehr viel Spielraum, auch wesentlich höhere Inflationsraten über einen langen Zeitraum zu tolerieren, wenn sie dabei glaubhaft machen kann, dass sie damit einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat.“ Konkret bedeute das: Die Währungshüter werden die Niedrigzinsen so lange fortführen, bis Vollbeschäftigung herrscht, unabhängig davon, ob die Inflation dabei stark steigt und die Kaufkraft der Menschen sinkt.
Auch die EZB überprüft ihre Strategie. Sie steht dabei allerdings vor noch größeren Herausforderungen als die Fed, da sie die Interessen und Bedürfnisse vieler und teilweise sehr unterschiedlicher Länder in ihre Entscheidung einbeziehen muss. „Deutschland hat aufgrund der Erfahrungen mit galoppierenden Preisen fast panische Angst vor einer zu hohen Inflation. Ich erwarte daher eine abgeschwächtere Lösung als das durchschnittliche Inflationsziel der Fed.“ Um eine Überarbeitung der Strategie werde allerdings auch die EZB nicht herumkommen. „Die EZB mahnt seit einem Jahrzehnt Reformen an und erkauft der Politik durch Anleihekäufe und niedrige Zinsen immer neue Zeit dafür. Anstatt zukunftsorientierte Reformen umzusetzen, häufen viele Euro-Staaten allerdings immer höhere Schuldenberge an und machen sich damit abhängig von den Niedrigzinsen. Die Notenbank ist inzwischen in einer Zwickmühle gefangen und droht zu einem Erfüllungsgehilfen der Politik zu werden. Sie muss also höhere Inflationsraten tolerieren, um nicht selbst Auslöser der nächsten Schuldenkrise zu sein.“ (DFPA/JF1)
Quelle: Zinskommentar Dr. Klein
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