Kapitalanleger-Musterverfahren: Österreicher klagen in Hamburg gegen MPC Capital
Der österreichische Verein für Konsumenteninformation (VKI) unterstützt Klagen nach dem deutschen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) für rund 2.500 österreichische Anleger gegen das Emissionshaus MPC Capital in Hamburg. Der Gesamtschaden beläuft sich laut VKI auf rund 170 Millionen Euro. Das Landgericht Hamburg hat am 3. Februar 2016 die Eröffnung eines solchen Verfahrens zugelassen und beschlossen, dass es zulässig ist, wenn Österreicher durch das KapMuG Rechtsschutz in Deutschland suchen, und dabei österreichisches Recht angewendet werden kann. Der Beschluss (Aktzenzeichen 327 O 279/15) ist rechtskräftig.
Der VKI hat einen Musterverfahrensantrag von 13 österreichischen Anlegern gegen MPC Capital, gegen deren Tochterunternehmen CPM (Österreich-Tochter) und TVP (Treuhänderin bei den Fonds) sowie gegen die leitenden Personen Dr. Axel Schröder, Ulrich Oldehaver, Ulf Holländer und Hanno Weiss initiiert. Die Klage zielt auf Ersatz für Schäden, die durch Prospektfehler beim Vertrieb des Geschlossenen Fonds „MPC Hollandimmobilien Nr. 47“ in Österreich verursacht wurden.
„Dieser Beschluss ist eine Sensation. Erstmals kämpfen letztlich rund 2.500 österreichische Anlegerinnen und Anleger vor deutschen Gerichten um Schadenersatz durch deutsche Unternehmen. Es geht insgesamt um Forderungen von rund 170 Millionen Euro“, freut sich Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI. Kolba weiter: „Nun können sich zunächst Geschädigte des MPC Holland 47–Fonds an dem Massenverfahren in Hamburg gegen überschaubare Kosten und ohne Risiko beteiligen. Gleichzeitig wird der VKI zu weiteren Holland- und Schiffsfonds solche KapMuG-Klagen einbringen und weitere Musterverfahren betreiben.“
In dem Musterverfahren werden nun vom Hanseatischen Oberlandesgericht eine Reihe von Feststellungen zu behaupteten Fehlern im Verkaufsprospekt und Kurzprospekt des Immobilienfonds zu treffen sein. Unter anderem sei nicht darauf hingewiesen worden, dass vor dem Verkauf der beiden Fondsimmobilien an die Fondsgesellschaft ein Zwischenhandel stattgefunden habe, durch den ein Zwischenhandelsgewinn von rund 4,66 Millionen Euro entstanden sei. Zudem enthalte der Verkaufsprospekt keine Risikohinweise. Im Lichte solcher Feststellungen sollte es nach Einschätzung des VKI gelingen, mit MPC Capital eine Basis für einen Vergleich zu erzielen, oder aber es muss in Einzelverfahren für jeden Geschädigten ein gerichtliches Leistungsurteil erwirkt werden.
„Diese Vorgangsweise war notwendig, weil eine grenzüberschreitende Sammelklage durch Abtretung von Ansprüchen an den VKI nicht möglich ist. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes in Österreich verliert man durch Abtretung von Ansprüchen an einen Verband den Verbrauchergerichtsstand in Österreich“, legt Kolba die verbraucherfeindliche Rechtslage dar. „In Österreich liegen Pläne für ein solches Musterverfahren wie in Deutschland seit 2007 in den Schubladen des Justizministeriums. Daher sieht sich der VKI gezwungen, auf ausländische Modelle für Massenverfahren zurückzugreifen. Bei den Geschlossenen Fonds der Hamburger MPC eben das KapMuG in Deutschland, bei VW das System eines Generalvergleiches über eine holländische Stiftung.“
Die Beklagten hatten unter anderem gerügt, dass das KapMuG auf Ansprüche wegen ausländischer Kapitalmarktinformationen, die nach ausländischem Sachrecht - nämlich hier dem österreichischem Recht - zu beurteilen sind, nicht anwendbar sei. Diesem Einwand ist das Landgericht nicht gefolgt, weil eine Beschränkung auf die Anwendung inländischen Rechts weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Entstehungsmaterialien ersichtlich sei. Vielmehr war Intention des Gesetzgebers, die inländischen Gerichte für Anlageprozesse zu stärken und attraktiver zu machen. Denn das Musterverfahren sollte „aus Sicht der deutschen Emittenten die Möglichkeit verschaffen, auf ausländischen Kapitalmarktplätzen auf geeignete kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten in Deutschland zu verweisen und dadurch eine Kanalisierung von Rechtsstreiten im Inland bewirken zu können“ (Gesetzesentwurf, Bundestagsdrucksache 15/5091).
Der VKI bereitet nach eigenen Angaben nun weitere Musterverfahren - inbesondere zu Hollandfonds sowie zu den Schiffsfonds „Reefer I“ und „Reefer II“ - vor.
Quelle: Pressemitteilung VKI, Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 3. Februar 2016
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Wien. Seit seiner Gründung 1961 vertritt er die Interessen von Konsumenten, stärkt ihre Position und informiert sie über ihre Rechte und Pflichten. (JF/jpw2)