Anleihen: Ein ereignisreiches Halbjahr geht zu Ende

Ausblick von Vladislav Krivenkov (nordIX AG) zum zweiten Halbjahr auf dem globalen Anleihenmarkt. Seiner Einschätzung nach könnten Anleger, die von steigenden kurzfristigen Zinsen und den Rückgängen bei Bonitätsaufschlägen bei Unternehmensanleihen profitieren möchten, mit Floating-Rate-Notes oder zinsgesicherten Anleihefonds das passende Mittel der Wahl finden:

Vladislav Krivenkov
Vladislav Krivenkov

Die Masse an Ereignissen, die der Kapitalmarkt im ersten Halbjahr des Jahres zu verarbeiten hatte, war gewaltig: die Abwicklung der Credit Suisse weckte Erinnerungen an die Weltfinanzkrise, die Bankenpleiten in den USA lösten Sorgen um die Finanzstabilität aus, die Wahrscheinlichkeit eines US-Zahlungsausfalls wurde am Kapitalmarkt zwischenzeitlich höher eingeschätzt als zur Zeit der Kernschmelze im US-Banken-Sektor in 2008. Zum „New Normal“ gehört auch, dass italienische Staatsanleihen mit Renditen gehandelt werden, welche nur noch in der heißen Phase der Eurokrise höher waren. Eine positive makroökonomische Überraschung kam hingegen aus den USA. Allen Prognosen und Sorgen zum Trotz blieb eine Rezession im ersten Halbjahr, dem starken US-Arbeitsmarkt und den US-Konjunkturprogrammen sei Dank, aus. Die Meldung über die (technische) Rezession in Deutschland ging dagegen in der Flut der vielen Ereignisse unter.

Rückläufige Inflationsentwicklung erwartet

Die über den Zielmarken der Zentralbanken liegende Inflation in der Eurozone und den USA wird auch im zweiten Halbjahr ein dominierendes Thema bleiben. Als bestätigt gilt, dass der Inflationszenit im vergangenen Jahr nachhaltig überschritten wurde und im weiteren Jahresverlauf sowohl in der Eurozone als auch den USA weiter rückläufig bleiben wird. Untermauert wird dieser Ausblick von der Einschätzung der Volkswirte der europäischen Zentralbank, welche für die zweite Jahreshälfte von einer durchschnittlichen Zunahme des harmonisierten Verbraucherpreisindex von rund 3,7 Prozent (aktuell: 5,5 Prozent) ausgehen. Gegen Ende des Jahres wird sogar eine Inflation um die drei Prozent angenommen. Eine Entspannung bei den Steigerungsraten von Verbraucherpreisen wird auch für die USA erwartet. Die Entwicklung des Personal Consumption Expenditures Price Index (PCE-Inflation), welcher für die geldpolitischen Entscheidungen der Federal Reserve eine entscheidende Rolle spielt, wird gegen Jahresende mit einer Steigerungsrate von rund 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr prognostiziert (aktuell: 3,85 Prozent). Insgesamt lassen sich in beiden Währungszonen zwei entgegengesetzte Entwicklungen beobachten: Auf der einen Seite sorgen die massiv gefallenen Energiepreise für disinflationäre Tendenzen. Demgegenüber wirken höhere Lohnabschlüsse und höhere Kosten für die Lebensmittelproduktion (höhere Preise für bspw. Weizen und Fette/Öle) preistreibend. Eine Inflation durch die sogenannte Lohn-Preis-Spirale wird jedoch nicht als akute Gefahr gesehen. In Summe scheint es so, als würden sich die Entwicklungen aus 2008, 2014 und 2020 wiederholen und die disinflationären Basiseffekte bei Energie- und Rohstoffpreisen dazu führen, dass in der zweiten Jahreshälfte die sogenannte Headline Inflation unter der Kerninflation liegen wird.

Zentralbanken: Keine Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf

Die rückläufige Inflation verringert den Druck auf die europäische Zentralbank und die Federal Reserve. Doch während die Fed mit ihrer Zins-Pause im Juni, die nächste Phase ihrer Zentralbankpolitik eingeleitet hat und die Wirkung ihrer beschlossenen Maßnahmen beobachten kann, muss die EZB ihren eingeschlagenen Weg zu Ende gehen. Die aktuelle Markterwartung an die EZB, welche nicht den Mut hatte, der Inflation rechtzeitig mit Zinserhöhungen zu begegnen, sind noch zwei Zinsschritte bis zum Ende des Jahres. In der Folge käme es gegen Jahresende zu einem EZB-Einlagensatz von vier Prozent und zu einem Hauptrefinanzierungszins von 4,5 Prozent. Der Federal Reserve ist in der letzten FOMC-Sitzung hingegen wieder ein „Meisterstück“ gelungen. Während die Fed die Federal Fund Rates in der Juni Sitzung unverändert in der Spanne von 5,00 Prozent bis 5,25 Prozent beließ, begegneten die Fed-Mitglieder Spekulationen über Zinssenkungen gegen Ende des Jahres mit der Projektion steigender Fed Fund Rates. In der Folge setzte der von der Fed gewünschte Effekt ein und die (inflationsfördernden) Markterwartung an fallende Zinsen wurden verworfen. Das ist auch nur nachvollziehbar. Angesicht der auch in der nahen Zukunft über der Zielmarke von zwei Prozent liegenden Inflationszahlen und eines felsenfesten US-Arbeitsmarkts erscheinen inflationsfördernde Zinssenkungen seitens der Zentralbanken auf Sicht der nächsten neun Monate unrealistisch. Ob es in den USA am 26. Juli zu einem letzten 25-bp-Zinsschritt in diesem Jahr kommt, ist weniger die Frage der Notwendigkeit als die der Symbolik.

Rückenwind für Bonitätsaufschläge – Wertaufholung angeschlagener Sektoren

Die Gemengelage aus rückläufiger Inflationsentwicklung und den Signalen einer ruhigeren Zentralbankpolitik zeichnen ein konstruktives Bild für das Euro-Investment-Grade-Segment. Mit Blick auf die Bonitätsaufschläge schwindet zum einen der Druck auf zyklische Sektoren, die im Rahmen der bisherigen Investoren-Positionierung „Zentralbank würgt die Konjunktur ab“ unter die Räder gekommen sind. Darüber hinaus verbessert sich mit einem absehbaren Ende der Leitzinssteigerungen auch der Ausblick auf das Immobiliensegment. Deutlich wurde dies auch an der Kursreaktion von RE-Anleihen nach Veröffentlichung der unter den Erwartungen liegenden US-Inflationszahlen. Der Rückgang der Bonitäts- bzw. Risikoaufschläge war bei diesen Titeln bis zu einem Faktor von drei stärker ausgeprägt als im Gesamtmarkt.

Opportunitäten
Quelle: Bloomberg

Auch unter Anleihen von Financials (insbesondere ausgewählte Banken-Titel) lassen sich aktuell noch Opportunitäten finden. Nach dem Bankenbeben im März befinden sich die Bonitätsaufschläge dieses Segments trotz einer erfreulichen Verbesserung weiterhin in einer Dislocation und handeln weiter auf einem übererhöhten Niveau.

In Summe kann anhand der oberen Grafik festgestellt werden, dass die Ereignisse des ersten Halbjahres bei den Bonitätsaufschlägen im Euro Investment Grade Spuren hinterlassen haben und viele Unternehmensanleihen noch Potenzial für rückläufige Bonitätsaufschläge aufweisen. Indes unter den Bonitätsaufschlägen im Euro-Investment-Grade-Segment aktuell noch einige Opportunitäten zu finden sind, scheinen Erwartungen an fallende Staatsanleihen-Zinsen sowohl für kurze als auch für längere Laufzeiten im zweiten Halbjahr verfrüht. Die aktuell erwarteten zwei 25-bp-Leitzins-Anhebungen der EZB könnten den Druck auf die Renditen von deutschen Schatzanweisungen erhöhen. Große Rendite-Rückgänge bei Bunds werden im Markt bis Ende des Jahres aktuell nicht erwartet. Das vom Markt zum Jahresende erwartete Renditeniveau von Bunds liegt mit rund 2,3 Prozent in der Mitte der Handelsspanne des vergangenen Halbjahres. Anleger, die von steigenden kurzfristigen Zinsen und den Rückgängen bei Bonitätsaufschlägen bei Unternehmensanleihen profitieren möchten, könnten mit Floating-Rate-Notes oder zinsgesicherten Anleihefonds das passende Mittel der Wahl finden.

Unser Autor Vladislav Krivenkov ist Portfoliomanager bei der nordIX AG. Das 2009 gegründete Unternehmen ist ein Anleihenmakler und auf Anleihen und Derivate spezialisierter Asset Manager mit Sitz in Hamburg.

https://nord-ix.com

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