Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsratings für das institutionelle Portfoliomanagement

Gastbeitrag von Frederic Waterstraat (Berenberg Bank) zum Thema Nachhaltigkeitsratings. Ein authentischer und nachhaltiger Investmentansatz sollte seiner Ansicht nach ESG-Ratings kritisch hinterfragen und sich vornehmlich auf eigene Analyse der ESG-Risiken und -Chancen eines Unternehmens sowie den aktiven Dialog mit dem Unternehmen zu wesentlichen ESG-Faktoren stützen:

Frederic Waterstraat
Frederic Waterstraat

Die Investmentwelt ist im Wandel: War lange Zeit für viele Investoren allein die Rendite das entscheidende Kriterium für die Geldanlage, sind in den letzten Jahren Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) immer wichtiger geworden.

Dementsprechend fordern auch institutionelle Anleger von Ihren Vermögensverwaltern, diese Faktoren in ihre Anlageprozesse zu integrieren. Fondsmanager stehen damit vor der Aufgabe, ESG-Faktoren einen integralen Platz in Ihrem Anlageprozess zu geben. Um diesen vielschichtigen und komplexen Themen besser Herr zu werden, nutzen viele Investoren spezialisierte ESG-Ratinganbieter, was den angebotenen ESG-Ratings zu immer mehr Relevanz verhilft.

Platzhirsche der Branche sind MSCI ESG Research, Sustainalytics, Vigeo Eiris sowie ISS ESG, die nach einer Fusionierungs- und Konsolidierungswelle in den letzten Jahren nun alle im Besitz etablierter Finanzunternehmen sind.

Dabei nutzt jeder dieser Anbieter seine selbst konzipierten und selten transparenten Kriterien, was einen Vergleich erschwert. Zwar haben sie oft ähnliche Kriterien, für diese werden jedoch unterschiedliche Indikatoren verwendet. Schon die sehr unterschiedlichen Definitionen des nach wie vor sehr weiten Begriffs „Nachhaltigkeit“ sind geprägt von ethische Vorstellungen, Interpretationen und philosophische Schwerpunktsetzungen. ESG Ratings sind somit vielfach subjektive Konzepte, denen es an Konsistenz, Vergleichbarkeit und sogar an einem Konsens, was sie überhaupt messen sollen, mangelt. Mitunter stark voneinander abweichende Ratings für dieselben Titel sind die Folge.

Dies hat auch eine Berenberg-eigene Analyse (Studie zu ESG Ratings: Die „Small- und Mid- Cap Problematik“) von drei der meistgenutzten ESG-Anbieter bestätigt, in der wir keine starke Korrelation zwischen den verschiedenen Ratings für dasselbe Unternehmen feststellen konnten. Die Korrelation zwischen den drei Ratings schwankte zwischen 0,53 und 0,71 und lag im Durchschnitt bei 0,56. Ähnliche Korrelationsergebnisse fanden auch Berg, Kölbel & Rigobon (Aggregate Confusion: The Divergence of ESG Ratings), die fünf verschiedene ESG-Rating-Anbieter untersuchten. Diese Ergebnisse stehen im starken Gegensatz zu den hohen Korrelationen verschiedener Kredit-Ratings. Die Ratings von Moody’s und Standard & Poor’s weisen eine Korrelation von nahezu 0,99 auf, was auf sehr starke Ähnlichkeiten zwischen den Methoden der beiden Anbieter schließen lässt. Die niedrigere Korrelation zwischen ESG-Anbietern ist unseres Erachtens ein Indikator dafür, dass es noch keinen einheitlichen Standard für ESG-Ratings gibt und sich die ESG-Analyse noch weiterentwickeln muss.

Viele ESG Rating- Anbieter stoßen mit ihren standardisierten Rahmenwerken zudem an Grenzen, die Komplexität und die Nuancen eines Unternehmens und damit auch die Bedeutung von ESG in diesem Kontext realistisch widerzuspiegeln. Dies kann insbesondere bei kleineren Firmen dazu führen, dass Investoren, die sich rein auf ESG-Ratings verlassen, erhebliche Risiken oder attraktive Chancen übersehen. Zwar decken alle Agenturen das Universum der Mega- und Large-Cap-Unternehmen sehr gut ab, in Richtung der Mid-, Small- und Micro-Cap-Unternehmen wird dies jedoch immer weniger. Zudem schneiden kleinere, schneller wachsende Unternehmen, die oft auch im ESG-Kontext besonders attraktiv sind, im Durchschnitt weniger gut ab oder werden erst gar nicht bewertet werden– unabhängig davon, wie nachhaltig sie tatsächlich agieren. Zudem zeigt es sich, dass die Ratings positiv mit der Unternehmensgröße korreliert sind. Mit anderen Worten, je größer ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist ein besseres Rating. Diese Verzerrung lässt sich zumindest teilweise dadurch erklären, dass kleinere Unternehmen häufig weniger Informationen zu ihren ESG-Bemühungen offenlegen, viele Ratings nach wie vor auf starren Vorlagen basieren und Rating-Analysten häufig nicht genug Zeit für tiefere Analysen bleibt. Trotz der Bereitschaft, ihre ESG-Ratings zu verbessern, fehlt es kleineren Unternehmen häufig schlichtweg an nötigen Ressourcen für eine umfassendere und optimierte Offenlegung.

Auch geografisch weist die ESG-Rating-Abdeckung Grenzen auf – in Europa und Nordamerika ist sie noch am höchsten. Ferner fallen ESG-Ratings aus dem europäischen Raum durchschnittlich besser aus als solche aus dem amerikanischen oder asiatischen Raum. Ursache dafür können stärkere Offenlegungspflichten in Europa im Vergleich zu den USA oder Asien sein.

Ein weiterer Kritikpunkt an ESG Ratings sind die verwendeten, teilweise lückenhaften Daten. ESG-Informationen stammen oft von Jahresabschlüssen oder Nachhaltigkeitsberichten der Unternehmen selbst und sind somit schwer verifizierbar. Zudem sind ESG-Ratings damit rückwärtsgerichtet, obwohl eine vorausschauende Bewertung der Nachhaltigkeit wesentlich ist. Hinzu kommt, dass viele ESG-Ratings nur einmal jährlich aktualisiert werden. Darüber hinaus kann ein Fokus auf ESG-Ratings die Gefahr einer „grünen Blase“ bergen, in dem immer gleiche Unternehmen von unterschiedlichen Anlegern investiert würden. Dabei bedeutet ein gutes ESG-Rating nicht gleichzeitig, dass ein Unternehmen auch ein nachhaltiges Investment ist.

Aufgrund der Best-in-Class-Perspektive von ESG Ratings ist es theoretisch möglich, ein Portfolio zusammenzustellen, das sich zum Beispiel ausschließlich aus Öl-, Gas- und Tabak-Unternehmen zusammensetzt und trotzdem ein herausragendes ESG-Durchschnittsrating trägt. Auch der zunehmende wachsende Einfluss von ESG-Ratings wird skeptisch betrachtet: sie beeinflussen finanzielle Entscheidungen, mit möglicherweise weitreichenden Auswirkungen auf Asset-Preise und Firmenpolitik.

All diese Kritikpunkte bedeuten jedoch nicht, dass ESG-Ratings grundsätzlich abzulehnen sind. Sie spielen im Bewertungs- und Investmentprozess eine wichtige Rolle. Sie können hilfreiche Informationen und Denkanstöße liefern, indem sie in einem wachsenden Markt einen breiten Überblick bieten, eine erste Bewertung und Vergleichbarkeit einzelner Investments ermöglichen sowie potenzielle Stärken und Schwächen zeigen. Ein authentischer und nachhaltiger Investmentansatz sollte ESG-Ratings allerdings kritisch hinterfragen und sich vornehmlich auf eigene Analyse der ESG-Risiken und -Chancen eines Unternehmens sowie den aktiven Dialog mit dem Unternehmen zu wesentlichen ESG-Faktoren stützen.

Nichtsdestotrotz stellen ESG-Ratings einen wichtigen Bestandteil im Transformationsprozess der Finanzindustrie hin zu mehr Nachhaltigkeit dar. Mit zunehmender Transparenz und Standardisierung der noch frühen Phase der ESG-Ratingindustrie werden sie zukünftig vermutlich weiter an Güte und Bedeutung gewinnen.

Frederic Waterstraat verantwortet im Berenberg Consulting Team das ESG Consulting. Das Berenberg Consulting bietet seinen institutionellen Kunden einen ganzheitlichen Beratungsansatz infolge der Schwerpunktthemen Strategic Asset Allocation, Risk Management sowie ESG. Das Team entwickelt maßgeschneiderte Anlagelösungen für die komplexen Herausforderungen von Versicherungen, Versorgungswerken, Unternehmen, Family Offices, sowie Stiftungen und kirchlichen Anlegern.

www.berenberg.de

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