Die fetten Jahre sind vorbei
Die fetten Jahre im Immobiliensektor sind vorbei. Die ersten sechs Monate 2024 werden sehr herausfordernd. Die Wirtschaft stagniert, es kommen wenige neue Impulse, dazu die internationalen Krisenherde, die durch den „Butterfly Effekt“ auch Auswirkungen auf die deutschen Märkte haben.
Die größten Herausforderungen für institutionelle Kapitalanleger sind aus unserer Sicht ein Refinanzierungsdruck auch über 2024 hinaus sowie die ESG-Reportingpflichten. Ausgerufene Taxonomieziele, hier besonders das der Kreislaufwirtschaft, werden ebenfalls massive Auswirkungen haben. Die Schere zwischen geförderten Neuansiedlungen von Zukunftsbranchen und älteren Industriearten und -standorten wird aus unserer Sicht größer werden.
Was wenig Grund zu Optimismus gibt, eröffnet aber auch einige Pfade, die Hoffnung machen. Schauen wir doch mal genauer hin: Der Büromarkt steckt im Klammergriff von schwächelnder Gesamtwirtschaft und dem sinkenden Bedarf durch Homeoffice. Diese Unsicherheit führt zu abwartenden Reaktionen der großen deutschen Büroflächenanbieter und -märkte. Dadurch sinkt das Anmietungsvolumen bei großen Playern, was in Gesamtstatistiken sichtbar wird. Die Masse der vorhandenen Nachfrage liegt aber unter 700 Quadratmeter Vermietungsfläche. Hier verzeichnen wir fast business as usual, in den Top-7-Märkten. Hier steigen zudem die Gesuchszahlen wieder leicht an.
Die Gesuchszahlen bei Colliers in diesen „Nebenmärkten“ nehmen langsam wieder zu.
Für den Investmentmarkt glauben wir an Zinssenkungen von bis zu 100 Basispunkte auch auf Grund der wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands. Die zuletzt geringere Volatilität und ein sinkendes Zinsniveau werden für mehr Handlungssicherheit sorgen. Wir erwarten eine Verbesserung der Planbarkeit für Projektentwickler und Investoren. Zudem werden auch aktuell insolvente Bauprojekte früher oder später wieder aufgenommen werden. Hinzu kommt ein Refinanzierungsdruck für ein Volumen von fünf bis sechs Milliarden Euro, der für freie Objekte im Markt sorgen wird, wenn verkauft werden muss. Durch diesen Refinanzierungsdruck werden sich Investitionschancen ergeben. Weniger Nachfrage und deutlich reduzierte Einstiegspreise – statt dem 30-fachen nur noch das 22-fache der Jahresmiete als Preis – sind die Basis dafür. Dies gilt auch für den Wohnimmobilienbereich. Weitere Chancen im Immobiliensektor haben wir in unserem „Ausblick 2024" genannt, wie die Fokusbereiche Life Science & Tech, Data Center sowie Wald- und Agrarinvestments. Hier wird die Nachfrage und das Angebot steigen, damit die institutionellen Anleger den CO2-Foodprint eines Portfolios reduzieren können. Außerdem sehen wir dazu die Chancen der KI, zum Beispiel für die Abgabe repetitiver Prozesse und im Ablaufmanagement.
Fazit: Aus unserer Sicht wird sich bei Büroimmobilieninvestments die Spreu vom Weizen trennen. Dieser Anpassungsprozess wird noch etwas andauern. Aber im sozialen Sektor sehen wir große Entwicklungschancen. Wir haben 3.000 Schulen zu wenig, die vorhandenen Schulimmobilien sind weitläufig in schlechtem Zustand. Bildungsimmobilien zu revitalisieren, zum Beispiel Artikel 9 und ESG konform, sehen wir als gute Investitionsmöglichkeiten. Dazu hoffe ich ganz persönlich, dass wir wieder in eine Phase der positiven Berechenbarkeit eintreten, sowohl menschlich als auch geschäftlich.
Der Artikel erschien zuerst in EXXECNEWS INSTITUTIONAL 01/2024
Andreas Trumpp ist Managing Director und Head of Market Intelligence & Foresight beim Immobilienberatungsunternehmen Colliers in Deutschland.