Finanzberatung und Regulierung – raus aus der "Ideologie-Falle"
Neue Pflichten wie die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen, drohende Provisionsverbote beziehungsweise Provisionsdeckel und überbordende Bürokratie beim Abschluss - Schlagworte, die längst Einzug in den Alltag der Finanzberatung gefunden haben.
Nur knapp ist es dabei gelungen, dem Damoklesschwert eines generellen Provisionsverbotes zu entgehen, das die EU-Kommission, Teile des EU-Parlaments und die bekannten Protagonisten des sich selbst so bezeichnenden Verbraucherschutzes im Rahmen der so genannten EU-Kleinanlegerstrategie einführen wollten. Dies zeigt: Mit guten und richtigen Argumenten und unendlich viel Überzeugungsarbeit kann es am Ende glücklicherweise doch noch gelingen, dass auch in der Politik die Vernunft siegt.
Finanzkrise als „Keimzelle“ der Regulierung
Damit dies gelingt, muss in der Diskussion ein Gespür dafür vorhanden sein, welche Geisteshaltung den Regulierungsvorhaben zugrunde liegt. Denn leicht nachvollziehbar sind diese für Praktiker längst nicht mehr. Dabei wird schnell deutlich: Der Hauptgrund ist ein tiefes Misstrauen weiter Teile der Politik gegenüber der Finanzbranche insgesamt und gegenüber der Finanzberatung im speziellen, das seinen Ursprung in der Finanzkrise hat. Diese kulminierte am Ende darin, dass viele Bürgerinnen und Bürger durch Falschberatung ihr gesamtes Geld verloren und die Politik mit Staatsgarantien einen Kollaps des gesamten Finanzsystems abwenden musste.
Seitdem herrscht ein Bild vor, nach dem Finanzberatung ausschließlich aus provisionsgesteuertem Verkauf besteht und der Kunde ohne Beratung und ohne Provision in jedem Falle besser steht als mit Beratung. Weiter genährt wird diese „Ideologie“ durch den einen oder anderen, wenn auch nur kleineren „Branchenskandal“ der letzten Jahrzehnte (Stichworte Prokon, Göker) und durch das langanhaltende Nullzinsumfeld, das – faktisch ohne jede Verantwortung der Vermittler - beispielsweise den über 80 Millionen Kunden mit Lebensversicherungen nur bescheidene Renditen ermöglichen konnte. Bei alledem ist der Weg zum Verbot von Provisionen und zum regulatorischen Austrocknen der Beratung insgesamt dann nicht mehr weit.
Was kann getan werden, um dieses ideologiebelastete Bild zu korrigieren?
Hohe Qualitätsstandards sind erforderlich
Zunächst einmal ist die Branche selbst gefordert, indem sie durchgängig hochwertige Beratung ohne Fehlsteuerungen gewährleistet. Die Branche ist hier in den letzten Jahren, auch dank der einen oder anderen Regulierung, sehr weit gekommen. Dies sollte immer wieder in Gesprächen mit der Politik aufgezeigt werden. Auch sollte verdeutlicht werden, welche Regulierungsmaßnahmen bereits existieren und auf den Beruf wirken.
Aufklärung über die Inhalte der Finanzberatung
Ebenso wichtig ist Aufklärung über die praktische Arbeit eines Finanzberaters beziehungsweise einer Finanzberaterin. Das Bild vieler Politiker, nach dem Finanzberatung nur aus provisionsgesteuertem Verkauf besteht, muss korrigiert werden. Der Hauptteil der Finanzberatung ist Kundenservice, indem sich die Berater(innen) um die Vielzahl der Anliegen und Anfragen der Kunden kümmern, die mit den Verträgen und ihrer Situation zusammenhängen. Immer wieder muss der Politik deutlich gemacht werden, dass die Vermittler die entscheidenden „Service-Points“ der Kunden und Anbieter sind. Darüber hinaus müssen wesentliche Teile der Arbeitszeit in Weiterbildung, Büroorganisation, IT, Personalführung und die Umsetzung aufwändiger regulatorischer Vorgaben investiert werden.
Aufklärung über die Vorteile von Provisionen für den Verbraucher
Der Politik muss immer wieder klar gemacht werden, dass Provisionen kein Übel sind. Der Kunde profitiert davon, wenn er die Provision in Kleinstraten mit den monatlichen Beiträgen bezahlen kann. Und im Zweifel ist Beratung gegen Provision auch deutlich günstiger als Honorarberatung, allein schon wegen der Mehrwertsteuer. Alternativen wie Gehälter für angestellte Berater der Banken und Versicherer sind noch teurer. Und wer behauptet, nur Provisionen können im Einzelfall Interessenskonflikte begründen, irrt. Denn Honorarberater könnten überhöhte Honorare für intransparente Back-Office-Leistungen abrechnen. Und der angestellte Außendienst ist gegenüber dem Anbieter strikt weisungsgebunden, was viel anfälliger für Interessenkonflikte ist als Provisionszahlungen.
Aufklärung über die Folgen von Verboten
Im Gespräch mit der Politik muss thematisiert werden, wie die Welt ohne Finanzberatung aussähe, zum Beispiel nach einem Provisionsverbot. Gerade Kleinanleger würden in Passivität verharren, also den Abschluss wichtiger Verträge versäumen, Geld zinslos auf dem Konto belassen und so viel Geld verlieren. Es würden mit Halbwissen falsche Verträge abgeschlossen werden. Und bei Sachverhalten rund um bestehende Verträge wäre der Kunde allein gelassen und müsste seine Anliegen online allein oder über anonyme Call-Center selbst regeln, sofern er dafür die Nerven hat und die Fähigkeiten besitzt.
Ständiger Dialog und Schulterschluss in der Branche
Nicht nur die Verbände der Finanzvermittler, jeder einzelne ist gefordert und kann seinen Beitrag leisten. Notwendig ist es, immer und immer wieder das Gespräch mit der Politik zu suchen, auch mit Lokalpolitikern vor Ort, um so mittel- bis langfristig ein anderes Stimmungsbild zu erzeugen, das dem tatsächlichen Wert der Arbeit eines Beraters und einer Beraterin gerecht wird.
Dr. Helge Lach ist Vorsitzender des BDV Bundesverband Deutscher Vermögensberater (BDV), Frankfurt am Main. Als größter Berufsverband vertritt der BDV die Interessen selbstständiger Vermögensberater. Mit 50 Jahren Erfahrung in Vermögensaufbau und Absicherung ist der Verband mit seinen über 15.000 Mitgliedern ein wichtiger Gesprächspartner von Bundestag, Bundesrat, den Landesregierungen und ist aktiv auf europäischer Ebene, wenn es um die Rahmenbedingungen der Finanzberatung geht.