Jahresausblick 2020: Zurück auf „Los“?

Kommentar von Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch GmbH, zu den Aussichten für die Kapitalmärkte für das Jahr 2020. Er hält Aktien im aktuellen Niedrigzinsumfeld unverändert für alternativlos:
Die Marktverwerfungen in 2018 waren das Resultat steigender Unsicherheit bei steigenden Zinsen. Die Erholung in 2019 hingegen war bedingt durch die vermehrte Unterstützung der globalen Notenbanken und der Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Das Jahr 2020 startet mit ähnlichen Voraussetzungen: potentielle neue Handelsstreitigkeiten, geopolitische Unsicherheiten sowie zunehmende Zweifel an der Wirksamkeit der Geldpolitik.
Die Entwicklung des Handelskonflikts zwischen den USA und China bleibt weiterhin spannend, auch wenn sich an der Börse bereits ein gewisser Gewöhnungseffekt abzeichnet. Eine größere Bedrohung sieht unser Portfoliomanagement in einem aufkommenden US-EU-Handelskonflikt, da er sich auf Augenhöhe kaum lösen lässt. Europäische Nationen wie zum Beispiel Großbritannien, Frankreich und Deutschland sind entweder mit sich selbst beschäftigt, innenpolitisch geschwächt oder zu ambitionslos. Exportorientierte Branchen und Unternehmen werden wohl ein weiteres unsicheres Jahr erwarten, binnenwirtschaftlich orientierte Dienstleister hingegen können auf unverändert moderates Wachstum und Konsumfreude angesichts real kräftig steigender Löhne dies- wie jenseits des Atlantiks hoffen.
Aufgrund der globalen Rückkehr zum Gelddrucken sieht unser Portfoliomanagement ein weiteres Umfeld niedrigster Zinsen bei moderater Inflationsentwicklung als sehr wahrscheinlich an. Neben der Geldflut durch die Notenbanken ist auch die global weiter steigende Staatsverschuldung als die Kapitalmärkte unterstützende Faktoren gesetzt. Eine Änderung dieses Szenarios scheint nur im Fall dreier (eher unwahrscheinlicher) Unfälle denkbar:
- Vertrauensverlust in das bestehende FIAT-Geldsystem, welches eine nachhaltige Misstrauensspirale einleiten könnte.
- Steigender Druck auf die Pensions- und Rentensysteme, sodass über eine Abkehr von klassischen Modellen und steigenden Steuerlasten nachgedacht werden müsste.
- Unerwartet ansteigende Inflationserwartungen, ausgelöst durch Energiepreisschocks (Geopolitik, Green Deal), durch eine offizielle Neubewertung der Inflation zum Beispiel unter Einbeziehung der Vermögenspreise, aber auch durch eine fiskalische Flutung in Europa ausgehend von Deutschlands schwarzer Null.
Eine besondere Bedeutung werden daher die Ergebnisse der angekündigten „strategic reviews“ der Notenbanken Fed und EZB im Jahresverlauf erfahren.
Zusammenarbeit Europas geforderter denn je
Sowohl die USA als auch China agieren unbestritten handels-, fiskal- wie geldpolitisch aus einer Position der Stärke, sodass Europa angesichts der Verkettung globaler Prozesse einerseits und interner Querelen andererseits nicht vom Streit dieser beiden Nationen profitieren konnte. Dabei sind die Potentiale in Europa enorm – aber Investitionen in die Zukunftsfähigkeit in nahezu allen Bereichen wichtiger denn je. Wenn die politischen Unwägbarkeiten außer Acht gelassen werden, sehen wir keinen unmittelbaren Belastungsfaktor für das neue Jahr und schätzen die Prognosen für ein stabileres moderates Weltwirtschaftswachstum als realistisch ein – solange das Zinsniveau nicht wieder steigt.
Welche Anlageklassen zeigen sich geeignet?
Aktien bleiben für unser Portfoliomanagement im aktuellen Niedrigzinsumfeld unverändert alternativlos. Doch der zunehmende Einfluss der Politik auf Investmententscheidungen aber auch die zunehmende Verlagerung von Börsenumsätzen auf ETFs, Algo- oder Hochfrequenzhandel machen die Märkte trotz aller Attraktivität weiterhin anfällig für zwischenzeitliche Verwerfungen. Anleihen zeigen weiterhin positive Korrelationen zu Aktien, sodass nur selektiv Positionen wie währungsgesicherte US-Staatsanleihen, vereinzelte Schwellenländeranleihen und Spezialitäten in Betracht kommen. Das Edelmetall Gold sollte auch im Jahr 2020 seinen Mehrwert als Krisenversicherung und Währungsdiversifikator unter Beweis stellen.
Thomas Böckelmann ist leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch GmbH, einer bankenunabhängigen Vermögensverwaltung mit Sitz in Frankfurt am Main.
