Keine Zinserhöhung, dafür aber weniger falkenhaft

Kommentar von Christian Scherrmann (DWS) im Vorfeld der Fed-Sitzung am 31. Oktober und 1. November 2023. Seiner Einschätzung nach ist es keine leichte Aufgabe für den Notenbankchef Jerome Powell, das Narrativ „höher für länger“ zu verkaufen. Dies erkläre, warum er in der Vergangenheit so oft das Wort „vorsichtig“ verwendet hat:

Christian Scherrmann
Christian Scherrmann

Die Unsicherheiten für die Zentralbanker sind nach wie vor groß und haben seit der letzten Sitzung höchstwahrscheinlich sogar noch zugenommen. Die unerwartet starke Wirtschaftstätigkeit im dritten Quartal spricht zwar für eine weiche Landung, aber der Anstieg der Renditen zehnjähriger Staatsanleihen hat diverse Ängste geschürt. Die US-Verbraucher scheinen immer noch über eine gewisse Feuerkraft zu verfügen, die Revisionen des BIP zeigen jedoch, dass die Konsumdynamik möglicherweise weniger stark war als zuvor gedacht. Dies mag in den letzten Monaten zu niedrigeren Inflationsraten beigetragen haben, doch die geopolitischen Spannungen schüren gleichzeitig Sorgen vor höheren Energiepreisen in der Zukunft. Die Inflation im September war ohnehin etwas robuster als gedacht, die Preissteigerungen für Mieten fielen etwas höher aus als erwartet. Auch der Arbeitsmarkt sendet gemischte Signale: Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist nach wie vor außerordentlich robust, aber ein etwas größeres Angebot und eine etwas schwächere Nachfrage haben die Arbeitslosenquote auf 3,8 Prozent ansteigen lassen. Sie nähert sich nun der Schwelle von 4,0 Prozent, was an sich schon ein weiteres Rezessionssignal sein könnte. Gleichzeitig stellen wir fest, dass kleine Unternehmen, die die Mehrheit der US-Unternehmen ausmachen, angeben, dass sich die geringere Verfügbarkeit von Krediten negativ auf ihre Stimmung auswirkt. Die Verbraucher wiederum sehen sich mit Zinssätzen von fast acht Prozent für 30-jährige Festzinshypotheken und rund 22 Prozent für Kreditkartenschulden konfrontiert. Gleichzeitig nehmen die Zahlungsausfälle und Insolvenzen bereits wieder zu. Bei so vielen widersprüchlichen Signalen wird es kompliziert, um geldpolitische Untiefen herum zu navigieren. Ein erfahrener Seemann mag die Kunst der Koppelnavigation unter rauen Bedingungen beherrschen, aber letztlich wissen wir erst, wo wir sind, wenn sich das Wetter wieder aufklart. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Passagiere in solchen Zeiten den Kapitän um Rat fragen.

Auch wenn die US-Notenbank auf ihrer nächsten Sitzung sicherlich keine Hinweise über ihre Absichten im klassischen Sinne geben wird, so haben die Notenbanker doch bereits einige hilfreiche Informationen über ihre Interpretation der jüngsten Entwicklungen geliefert: eine ausgewogenere Sicht auf die Risiken. Diese Abkehr von der alleinigen Konzentration auf die Inflation öffnet die Tür für andere Argumente, die ihre Entscheidungen beeinflussen. Insbesondere die Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen – die sich in höheren längerfristigen Zinssätzen widerspiegelt – wurde in den jüngsten öffentlichen Erklärungen von Fed-Vertretern häufig erwähnt. Eine Offizielle meinte sogar, dass die jüngste Verschärfung der finanziellen Bedingungen eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte ersetzen könnte. In der hauseigenen Notenbankprognose für die Zinsen steht noch immer eine weitere Erhöhung in diesem Jahr. Wenn die finanziellen Bedingungen jedoch angespannt bleiben, ist diese letzte Zinserhöhung unserer Ansicht nach obsolet und die Fed wird die Zinsen angesichts der Abwärtsrisiken für die Wirtschaft nicht weiter erhöhen. Die Frage ist, wie diese Entscheidung kommuniziert wird – die Fed ist ja angesichts noch immer zu hoher Inflationsraten noch nicht in der Lage, einen Sieg zu verkünden. Je nach Perspektive könnte ein taubenhafter Fed-Vorsitzender verschiedene Szenarien implizieren. Sie könnten beispielsweise zu einer Lockerung der finanziellen Bedingungen führen, was wiederum das Wirtschaftswachstum und die Inflation unterstützt und somit die Erwartung weiterer Zinserhöhungen in der Zukunft rechtfertigen würde. Auf der anderen Seite könnten taubenhafte Äußerungen auch ein Narrativ durchsetzen, in dem die Fed größere Risiken für die Wirtschaft sieht als von den Märkten bereits eingepreist. Dieses Szenario impliziert ein geringeres Wachstum, eine niedrigere Inflation und letztlich niedrigere Leitzinsen. Daher scheint ein taubenhafter Ansatz derzeit zumindest eine riskante Strategie. Auf der anderen Seite könnte ein sehr falkenhafter Fed-Vorsitzender eine gewisse Ignoranz gegenüber den Abwärtsrisiken signalisieren und ein Narrativ nähren, die Notenbank übertreibe es mit den Zinsen, was die Wirtschaft letztendlich zum Absturz bringen könnte. Auch dieser Gedankengang wird schließlich zur Erwartung niedrigeren Zinsen führen. Es ist also keine leichte Aufgabe für den Notenbankchef, das Narrativ „höher für länger“ zu verkaufen. Dies erklärt, warum er in der Vergangenheit so oft das Wort „vorsichtig“ verwendet hat. Wir gehen davon aus, dass der Vorsitzende Powell auf der falkenhaften Seite bleiben wird, allerdings weniger stark als bei der letzten Sitzung.

Christian Scherrmann ist US-Volkswirt und Senior Research Analyst bei der DWS Group in Frankfurt am Main. Der börsennotierte Vermögensverwalter im Mehrheitsbesitz der Deutschen Bank beschäftigt rund 4.500 Mitarbeiter weltweit und verwaltet im Active-, Passive- und Alternatives-Geschäft ein Vermögen in Höhe von 860 Milliarden Euro in liquiden und illiquiden Anlageklassen. (Stand: 30. September 2023)

www.dws.com

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