Rascher Rückgang der deutschen Inflationsraten

Kommentar von Dieter Wermuth (Wermuth Asset Management) zur Lage an den Kapitalmärkten. Seiner Einschätzung nach werden die deutschen Konjunkturzahlen demnächst endlich wieder einmal positiv überraschen:

Dieter Wermuth
Dieter Wermuth

Zwei wichtige Statistiken wurden am Montag veröffentlicht – die BIP-Zahlen für das dritte Quartal und die Inflationsschätzungen für Oktober. Das reale BIP war nicht ganz so schlecht wie an den Märkten erwartet: saisonbereinigt gab es nach den Daten der Bundesbank im Vorquartalsvergleich einen Rückgang um 0,1 Prozent und im Vorjahresvergleich einen von 0,4 Prozent. Seit dem vierten Quartal 2019, dem Quartal vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, stagniert das BIP nun, also seit drei Jahren und drei Quartalen. Wenn ich eine Rezession als eine starke und länger dauernde negative Abweichung vom Trend des realen BIP definiere, haben wir es mit der längsten, wenn auch nicht tiefsten Rezession der Nachkriegszeit zu tun, glücklicherweise nämlich ohne einen Anstieg der Arbeitslosigkeit – der Arbeitsmarkt war durchgängig überraschend robust.

Zwei große Schocks waren die wichtigsten Gründe für die Rezession: der Nachfrageeinbruch durch die Pandemie und der starke Anstieg der Energiepreise im Gefolge der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022. Die deutsche Inflationsrate auf der Basis des Harmonisierten Index der Verbraucherpreise (HVPI) schoss im Vorjahresvergleich von nahe Null gegen Ende des Jahres 2020 auf 11,6 Prozent im Oktober 2022, mit der Folge, dass das real verfügbare Einkommen einbrach und die Sparquote der Haushalte von etwa 10,5 Prozent, wie vor Corona viele Jahre üblich, im zweiten Quartal 2020 auf den Rekordwert von 20,9 Prozent schnellte und danach nur langsam zurückging. Die Verbraucher waren verängstigt wie seit Jahrzehnten nicht mehr: vom vierten Quartal 2019 bis zum zweiten Quartal 2020 nahm der reale private Konsum, die mit Abstand wichtigste gesamtwirtschaftliche Nachfragekomponente, mit einer annualisierten Rate von unglaublichen 24,3 Prozent ab. Bis heute hat sich an der Schwäche des Konsums kaum etwas geändert.

Was die neuen Inflationszahlen angeht, kam es im Oktober beim deutschen HVPI im Vormonatsvergleich zu einem Rückgang um 0,2 Prozent, annualisiert über die vergangenen sechs Monate zu einem Anstieg von nur noch 2,1 Prozent, und im Vorjahresvergleich zu einem von 2,8 Prozent, wohlgemerkt berechnet nach den saisonbereinigten Zahlen der Bundesbank. Klar ist, dass sich die Inflation hierzulande mit großen Schritten dem EZB-Ziel von zwei Prozent nähert. Die gewerblichen Erzeugerpreise, die im Allgemeinen als gute Frühindikatoren für die Verbraucherpreise gelten, waren im September um nicht weniger als 14,7 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Ich vermute, dass die Situation in den übrigen Ländern der Währungsunion ähnlich ist.

Wie es aussieht, markiert das BIP des dritten Quartals den zyklischen Wendepunkt. Am wichtigsten ist vermutlich, dass die Löhne inzwischen deutlich rascher steigen als die Verbraucherpreise, was der Kaufkraft der Haushalte von nun an einen kräftigen Schub verleiht. Erfreulich auch, dass die Anzahl neuer Jobs zuletzt um beachtliche 0,8 Prozent höher war als vor einem Jahr, ähnlich im Übrigen wie in den Vorjahren – und ähnlich wie in den USA. Der private Konsum wird zum Motor der Konjunktur. Angeschoben wird diese zudem vom Wohnungsbau: Im August lag das preisbereinigte Auftragsvolumen dort um nicht weniger als 18,4 Prozent über seinem Vorjahreswert – und die annualisierte Sechs-Monatsrate war noch einmal um Einiges höher: 49,3 Prozent. Nach wie vor mangelt es an erschwinglichem Wohnraum, wozu es vor allem durch die neue Welle an Zuwanderern sowie den Einbruch der Bautätigkeit im Verlauf der Rezession gekommen ist. Der neue Aufschwung am Bau findet statt trotz des starken Anstiegs der langfristigen Hypothekenzinsen (um etwa drei Prozentpunkte gegenüber der Vor-Coronazeit) und der deutlich gestiegenen Baukosten. Der Knoten scheint trotzdem geplatzt zu sein.

Zwei, vielleicht sogar drei Konjunkturstimuli kommen hinzu: Die EZB wird angesichts der aktuell schwächelnden Wirtschaft und der rückläufigen Inflationsraten nicht weiter die Zinsen erhöhen – ein wichtiger Bremsfaktor entfällt; in diesem Jahr (2023) haben die meisten Regierungen des Euroraums versucht, ihre Defizitquoten, die in den Vorjahren kräftig zugenommen hatten, wieder zu vermindern – ab 2024 wird diese restriktive Finanzpolitik nach Vorhersagen der EU-Kommission durch eine leicht expansive Politik abgelöst; zudem wird sich der deutlich unterbewertete Euro positiv für die Konjunktur erweisen: Güter und Dienstleistungen sind vom Preis her sehr wettbewerbsfähig. Mit anderen Worten, auch der Außenhandel wird zunehmend zu einem Wachstumstreiber. Abzulesen ist das beispielsweise daran, dass sich der Saldo der deutschen Leistungsbilanz zuletzt innerhalb kurzer Zeit auf 6,7 Prozent des nominalen BIP mehr als verdoppelt hat.

Ich vermute daher, dass die künftigen Konjunkturzahlen demnächst endlich wieder einmal positiv überraschen werden. Es ist auch an der Zeit.

Dieter Wermuth ist Gründer, Partner und Economist beim Family Office Wermuth Asset Management (WAM). Das 1999 gegründete Unternehmen hat sich auf klimawirksame Investitionen über alle Anlageklassen hinweg spezialisiert und investiert über eigene und fremde Fonds in Private Equity, börsennotierte Anlagen, Infrastruktur und Sachwerte. WAM hält sich an die UN Principles of Responsible Investing (UNPRI) und den UN Compact und ist Mitglied der Institutional Investor Group on Climate Change (IIGCC), des Global Impact Investing Network (GIIN) und der Divest-Invest-Bewegung.

Seit Juni 2017 ist Dieter Wermuth auch Mitglied des Anlageausschusses für den 24 Milliarden Euro schweren kerntechnischen Entsorgungsfonds (KENFO).

https://wermutham.com

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