Skandinavische Perspektive auf den Bondmarkt: Unternehmensanleihen bevorzugt
Marktkommentar von Juhamatti Pukka (Evli) zum europäischen Bondmarkt. Er erläutert, wie er unter Chance-Risiko-Aspekten vor allem in volatilen Anleihemärkten gute Investments findet:
Anleger waren zuletzt sowohl in Aktien- als auch in Bondmärkten auf ein Ende der Zinserhöhungen positioniert. Unter Chance-Risiko-Aspekten finden sich vor allem in volatilen Anleihemärkten gute Investments.
Bis in den Juli hinein waren die positiven Erwartungen an den Kapitalmärkten von der Annahme getragen, dass die Inflationsraten in Europa und Amerika allmählich in den Griff zu bekommen seien. Die (noch) positiven Daten zur Wirtschaftsentwicklung stehen dazu im Widerspruch. Das ist ungewöhnlich, wenn man das Tempo bedenkt, mit dem die Fed und die EZB auf die Konjunktur-Bremse getreten haben. Die Leitzinsen zogen in eineinhalb Jahren jeweils zwischen 4,5 und fünf Prozentpunkten an.
Aufgrund des Basiseffekts sinken jedoch seit Beginn dieses Jahres die Jahr-über-Jahr-Berechnungen der Teuerung in nahezu allen Industrieländern. Auch die inverse Renditekurve signalisiert, dass die Wirtschaft sich abschwächt, der Inflationsdruck nachlässt und die Leitzinsen wieder sinken könnten. Solange die Zinskurve jedoch bei kurzlaufenden Anleihen eine bessere Verzinsung bietet als bei längeren Laufzeiten, sollte man die attraktive Rendite für kurze Laufzeiten nutzen.
Chancen bei kurzlaufenden Unternehmensanleihen
Bei Unternehmensanleihen mit kurzer oder mittelfristiger Laufzeit finden sich Papiere mit auskömmlichen Renditen und einem moderaten Zinsrisiko. In einem normalen Kreditzyklus verhalten sich Kurzläufer weniger volatil als Anleihen mit langer Laufzeit. Normalerweise geht diese relative Sicherheit mit niedrigeren Renditen einher. Insofern ist der Investment-Grade-Markt für Unternehmensanleihen derzeit in Bezug auf die Kreditspreads (die über den risikofreien Zins hinausgehende zusätzliche Rendite) attraktiv bewertet, so dass es sich lohnt, einen Teil des Portfolios diesem Segment zuzuweisen. Anpassungen können später erfolgen, wenn klarer wird, in welche Richtung sich der Zinsmarkt bewegt.
Ein Szenario, bei dem die Zinssätze mindestens ein Jahr lang auf dem aktuellen Niveau bleiben würden, wäre für Anleger in Festverzinslichen grundsätzlich eine positive Nachricht. Neben dem breiteren Investment-Grade-Markt sollte man seine Strategie dann auch auf drei- bis fünfjährige Anleihen ausweiten. Außerdem sollten High-Yield-Anleihen mit höherem Kreditrisiko ebenfalls im Portfolio gehalten werden. Sie sind schon deshalb eine gute Wahl, weil ihre Renditen von circa 7,5 Prozent einen ausreichend hohen Puffer gegen negative Überraschungen bieten.
Skandinavische Bonds mit Extra
Anleger sollten außerdem auf regionale Unterschiede im geldpolitischen Kurs der Notenbanken achten. Aufgrund regional unterschiedlich verlaufender Inflationspfade weicht die Einschätzung im Hinblick auf die Eurozone stark von der für den US-Markt ab. Es ist daher wahrscheinlich, dass die EZB mit den Zinserhöhungen fertig ist. Die europäischen Makrodaten sind seit einiger Zeit eher schwach. Insbesondere Deutschland, als größte Volkswirtschaft der Eurozone, hat ein Null- oder Negativwachstum des BIP zu verzeichnen. Die Fed hingegen hat angesichts eines sehr angespannten Arbeitsmarktes, einer über dem Ziel liegenden Inflation und eines starken Wirtschaftswachstums noch einiges zu tun.
In Schweden und Norwegen ist die Situation derzeit sehr ähnlich wie im Euroraum. Die Inflation geht zurück, und es wird erwartet, dass die Leitzinsen nahe an ihren Höchstsätzen sind. Anleger können in Skandinavien von einer Besonderheit bei Unternehmensanleihen profitieren: viele Emittenten notieren im sogenannten Cross-over Segment der Bonitätsstufen „BBB“ und „BB“ oder verfügen über gar keine Einstufung von einer internationalen Agentur. Was zunächst wie ein Nachteil klingt, bietet Anlegern die Möglichkeit für ein Renditeplus. Für viele Institutionelle kommen Anleihen ohne Bonitätseinstufung nicht infrage, weil sie sie nicht in die Kategorien von Investment Grade oder High Yield einordnen können. Die betroffenen Papiere notieren dann mit einem Renditeaufschlag. Mischt man sie einem pan-europäischen Portfolio für Unternehmensanleihen bei, verbessert sich insgesamt das Chance-Risiko-Verhältnis deutlich.
Ein Optimal-Szenario
Sollte sich das Wirtschaftswachstum verringern und die Zinsen sinken, würden die absoluten Renditen von Unternehmensanleihen stark profitieren. Das gilt besonders für den Investment-Grade-Markt aufgrund seiner längeren Duration und rezessionssicherer, starker Bilanzen. Historisch gesehen waren diese Anleihen am profitabelsten, wenn das BIP etwas zurückging und die Zinssätze am Rentenmarkt nachgaben. Solange sich diese Entwicklung jedoch nicht klar abzeichnet, fahren Anleger mit einer diversifizierten Strategie am Anleihemarkt am besten.
Juhamatti Pukka ist Leiter Fixed Income bei Evli und verantwortlicher Portfolio Manager des mehrfach ausgezeichneten „Evli Short Corporate Bonds Fonds“. Der börsennotierte Finanzdienstleister Evli bietet eine breite Palette von Dienstleistungen an, darunter Vermögensverwaltung, Investmentfonds, alternative Anlageprodukte, Kapitalmarktdienstleistungen, Aktienresearch und Corporate Finance. Die Evli-Gruppe beschäftigt rund 300 Mitarbeiter und verwaltet ein Kundenvermögen von rund 16,8 Milliarden Euro.
Der Marktkommentar ist zuerst erschienen in Ausgabe 21/2023 unserer Kapitalanlage-Zeitung EXXECNEWS.