Wachsamkeit ist das Gebot der Stunde für die Fed
Kommentar von Franck Dixmier (Allianz Global Investors) im Vorfeld der Fed-Sitzung am 12. und 13. Dezember 2023. Seiner Einschätzung nach wird die erste Zinssenkung um 25 Basispunkte nicht vor Mitte 2024 erfolgen:
Unserer Einschätzung nach hat die US-Notenbank Fed nach dem aggressivsten geldpolitischen Straffungszyklus seit 40 Jahren wahrscheinlich ihren Endpunkt erreicht. Die jüngsten Inflations- und Wachstumsdaten stützen diese Ansicht: In den letzten Monaten ist die Inflation weiter zurückgegangen. Der Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben (PCE), das von der Fed bevorzugte Maß für die Inflation, stieg im September im Vergleich zum Vormonat nur um 0,16 Prozent, was einer annualisierten Rate von 2,5 Prozent in den letzten sechs Monaten entspricht. Dies liegt nahe an der von der Fed angestrebten Inflationsrate von zwei Prozent.
Auch wenn die Fed diese Zahl als positiv ansehen mag, sollte sie angesichts aktueller Beschäftigungsdaten dennoch wachsam bleiben. Der jüngste Arbeitsmarktbericht zeigt, wie robust die Entwicklung von Beschäftigung und Löhnen ist. Die Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent ging trotz eines Anstiegs der Erwerbsquote zurück und die Lohnstückkosten – der Betrag, den ein Unternehmen seinen Arbeitnehmern für die Erzeugung einer Produktionseinheit zahlt – stiegen gegenüber dem Vormonat um 0,4 Prozent. Dieser Wert liegt damit über den Erwartungen (0,3 Prozent) und ist gegenüber November 2022 um vier Prozent gestiegen.
Für die Fed könnte es also noch verfrüht sein, die Zinsen zu senken. Zweitrundeneffekte könnten die Inflation in den kommenden Monaten wieder etwas anheizen. Die Wiederherstellung eines Gleichgewichts auf den Arbeitsmärkten zu einem Zustand, bei dem es mehr Arbeitssuchende und weniger offene Stellen gibt, kommt zudem nur langsam in Fahrt. Die Fed wird also eine weitere Abkühlung der Arbeitsmarktdaten abwarten wollen, bevor sie mit Zinssenkungen beginnt. Auf ihrer zweitägigen Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) wird sie daher wahrscheinlich eine Botschaft der Geduld übermitteln.
Die Anleger haben in Teilen verstanden, vor welchen Herausforderungen die Fed steht. Sie haben daher ihre Zinssenkungserwartungen nach dem jüngsten Arbeitsmarktbericht revidiert. Einer ersten Zinssenkung im März, die zuvor zu 100 Prozent eingepreist war, wird gegenwärtig nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 44 Prozent beigemessen. Unserer Ansicht nach erscheint aber auch dieses Niveau noch immer etwas optimistisch. Wir erwarten, dass die erste Senkung um 25 Basispunkte nicht vor Mitte 2024 erfolgt. Im Zuge der Neukalibrierung der Erwartungen an den Märkten dürfte sich die US-Renditekurve nach einer Rallye, die übertrieben erschien, auf ein höheres Niveau einstellen.
Franck Dixmier ist Global Head of Fixed Income, Chief Investment Officer Fixed Income Europe und Mitglied des Global Executive Committee beim Investment-Manager Allianz Global Investors in Frankfurt am Main. Das Unternehmen des Allianz-Konzerns verwaltet mit mehr als 600 Anlagespezialisten 516 Milliarden Euro Assets under Management für institutionelle und private Anleger in Aktien-, Renten-, Private-Markets- sowie Multi-Asset-Strategien. (Stand: 30. September 2023)