Die neuen produktbezogenen Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor
1. Einleitung
Ein wesentlicher Zwischenschritt der europäischen Regulierungsakte der Europäischen Kommission zur Nachhaltigkeit (ESG) in der Finanzdienstleistungsbranche stellt das Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung (VO (EU) 2019/2088) am 10. März 2021 dar.
Schon seit längerem spielen bei Investitionsentscheidungen von Finanzmarktteilnehmern, wie zum Beispiel institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern, die sogenannten ESG-Kriterien eine wesentliche Rolle und es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren noch weiter verstärken wird. Unter der Abkürzung „ESG“ wird im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsregulierung im Finanzdienstleistungssektor eine nachhaltige Investition verstanden, die die drei Nachhaltigkeitsziele der Environment („E“), Social („S“) und „Governance“ („G“) verfolgt.
Die Offenlegungsverordnung stellt dabei einen wesentlichen europäischen Schritt hin zu einer nachhaltigeren Finanzmarktpolitik dar (vergleiche zur Entwicklung insgesamt auch Scheid/Needham, IRZ 2021, Seite 35 ff.). Mit der Verordnung werden die Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, die Anlageberatung oder Versicherungsberatung für Versicherungsanlageprodukte (IBIP) anbieten, verpflichtet, unabhängig von der Gestaltung eines Finanzprodukts und eines Zielmarkts schriftliche Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken zu veröffentlichen und für die Transparenz dieser Einbeziehung zu sorgen. Von der Verordnung wird das gesamte Spektrum von institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern erfasst. Nur Finanzberater, die weniger als drei Personen beschäftigen, sind vom Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung ausgenommen (vergleiche Artikel 17 Offenlegungsverordnung).
In der Konsequenz dieser neuen Kapitalmarktregulierung haben die Finanzmarktteilnehmer vorvertragliche Information für jedes Finanzprodukt zu erstellen, die in qualitativer oder quantitativer Hinsicht offenlegen, wie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen berücksichtigt werden. Zudem sollen sie eine Erklärung darüber vorlegen, dass die Informationen über die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen der laufenden Berichterstattung verfügbar sind. Ferner soll zur Erhöhung der Transparenz und zur Unterrichtung der Anleger Kurzinformationen auf den Internetseiten der Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater gegeben werden, wie diese relevante – wesentliche oder wahrscheinlich wesentliche – Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Investitionsentscheidungsprozessen beziehungsweise in Beratungsprozessen einbeziehen.
Die Offenlegungsverordnung unterscheidet dabei zwischen unternehmensbezogenen Offenlegungspflichten (Artikel 4 und 5 Offenlegungsverordnung) und produktbezogenen Offenlegungspflichten (Artikel 6 ff. Offenlegungsverordnung). Im Rahmen dieser Abhandlung soll auf die produktbezogenen Offenlegungspflichten, die beim Vertrieb eines Finanzprodukts zu berücksichtigen sind, eingegangen werden.
2. Weiter Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung
In dieser Abhandlung sollen die wesentlichen produktbezogenen Offenlegungspflichten der Artikel 6 ff. Offenlegungsverordnung dargestellt werden. Die produktbezogenen Offenlegungspflichten für ein Finanzprodukt sind jeweils unterschiedlich für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater.
Was unter diesen Begriffen jeweils zu verstehen ist, wird in Artikel 2 Offenlegungsverordnung näher definiert. Durch die neu eingeführten Begriffe wird dabei der Anwendungsbereich der Verordnung erheblich ausgeweitet.
a) Begriff des Finanzmarktteilnehmers
Unter den Begriff des Finanzmarktteilnehmers fallen nach Artikel 2 Absatz 1 Offenlegungsverordnung nachfolgende Finanzunternehmen:
- Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte (Insurance-based Investment Products (IBIPs)) anbieten,
- Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Portfolioverwaltung erbringen,
- Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung,
- Hersteller von Altersvorsorgeprodukten,
- Kapitalverwaltungsgesellschaften, die alternative Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers – AIFM), Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), einen qualifizierten Risikokapitalfonds oder einen qualifizierten Fonds für soziales Unternehmertum verwalten,
- Anbieter von europäischen langfristigen Investmentfonds (European Long-Term Investment Funds: ELTIFs),
- Anbieter von europaweiten privaten Altersvorsorgeprodukten (Pan-European Personal Pension Product – PEPP) sowie
- Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung erbringen.
b) Begriff des Finanzberaters
Als Finanzberater im Sinne von Artikel 2 Absatz 11 Offenlegungsverordnung sind Kreditinstitute, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, AIFM- und OGAW- Verwaltungsgesellschaften zu qualifizieren, soweit sie Anlageberatung erbringen. Aber auch Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen unterfallen der Verordnung, wenn sie Versicherungsberatung erbringen.
c) Begriff des Finanzprodukts
Welche Finanzinstrumente unter die Offenlegungsverordnung fallen, bestimmt Artikel 2 Absatz 12 Offenlegungsverordnung durch die Definition des Begriffs des Finanzprodukts. Danach sind die nachfolgenden Finanzinstrumente „Finanzprodukte“ im Sinne der Verordnung:
- Verwaltete Portfolien,
- Alternative Investmentfonds (AIF),
- Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW),
- IBIP (Versicherungsanlageprodukte),
- Altersvorsorgeprodukte,
- Altersversorgungssysteme und
- PEPP (Paneuropäische Private Pensionsprodukte).
Wie sich aus dieser Begriffsdefinition der Offenlegungsverordnung ergibt, weicht der neue Begriff des Finanzprodukts doch erheblich von dem im Kapitalmarktrecht gebräuchlichen Begriff des Finanzinstruments ab und erweitert hiermit gleichfalls den Anwendungsbereich der Verordnung.
3. Produktbezogene Offenlegungspflichten im Einzelnen
Entsprechend der gesetzlichen Gliederung der Offenlegungsverordnung sollen die einzelnen Offenlegungs- beziehungsweise Transparenzanforderungen für die Finanzmarktteilnehmer und/ oder die Finanzberater dargestellt werden.
a) Transparenz bei Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken (Artikel 6)
Artikel 6 Offenlegungsverordnung fordert eine Transparenz bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen von Finanzmarktteilnehmern (Absatz 1) sowie bei der Beratungstätigkeit von Finanzberater (Absatz 2).
Finanzmarktteilnehmer haben in vorvertraglichen Informationen Erläuterungen zu der Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen einbezogen werden und die Ergebnisse der Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der von ihnen zur Verfügung gestellten Finanzprodukte zu erläutern. Werden Nachhaltigkeitsrisiken dagegen bei einer Investitionsentscheidung nicht berücksichtigt, so ist der Finanzmarktteilnehmer verpflichtet, im Rahmen einer klaren und knappen Begründung in den vorvertraglichen Informationen zu erklären, warum er dieses Risiko für nicht relevant hält (Artikel 6 Absatz 1 Satz 2 Offenlegungsverordnung).
Vergleichbar mit den Transparenzanforderungen bei Finanzmarktteilnehmern sind auch Finanzberater verpflichtet, die Art und Weise der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Beratungstätigkeit sowie die Ergebnisse der Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der beratenden Finanzprodukte in den vorvertraglichen Informationen zu erläutern. Berücksichtigt ein Finanzberater indes keine Nachhaltigkeitsrisiken, ist er gleichfalls verpflichtet, im Rahmen einer klaren und knappen Begründung in den vorvertraglichen Informationen zu erläutern, warum er diese nicht für relevant hält.
In der Praxis werden diese vorvertraglichen Informationen regelmäßig zum Beispiel im Prospekt über das Finanzprodukt aufgenommen.
b) Transparenz bei nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen auf der Ebene des Finanzprodukts (Artikel 7)
Ab dem 30. Dezember 2022 werden die Transparenzanforderungen für Finanzmarktteilnehmer, nicht jedoch Finanzberater, gemäß Artikel 7 Offenlegungsverordnung noch erweitert.
Artikel 7 Offenlegungsverordnung verpflichtet die Finanzmarktteilnehmer zur Offenlegung von Informationen zur Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren auf der Ebene des Finanzprodukts selbst. Diese Informationen sind dann ab dem 30. Dezember 2022 wiederum in den vorvertraglichen Informationen, wie etwa im Prospekt, zu erteilen. Für die Offenlegung eines Finanzprodukt sind dann
- klare und begründete Erläuterungen dazu notwendig, ob und – wenn ja – wie in einem Finanzprodukt die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden und
- eine Erklärung erforderlich, dass Informationen über die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren verfügbar sind.
c) Transparenz bei Bewerbung von ökosozialen Finanzprodukten in vorvertraglichen Informationen (Artikel 8)
Noch weitergehende Transparenzpflichten treffen Finanzmarktteilnehmer, wenn sie ein sogenanntes ökosoziales Finanzprodukt in vorvertraglichen Informationen bewerben. Ein solches ökosoziales Finanzprodukt zeichnet sich dadurch aus,
- dass das Finanzprodukt unter anderen mit ökologischen und/oder sozialen Merkmalen beworben wird und
- die eingesammelten Mittel in Unternehmen investiert werden, welche sich zu einer guten Unternehmensführung verpflichtet haben. Nicht entscheidend ist dabei, ob die eingesammelten Mittel ausschließlich für nachhaltige Investitionen verwendet werden.
Die Offenlegungsverordnung definiert indes nicht, wann ein Finanzprodukt mit ökologischen und/oder sozialen Merkmalen beworben wird. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht wird das Tatbestandsmerkmal zumindest dann erfüllt sein, wenn Marketingmitteilungen oder vorvertragliche Informationen auf derartige Nachhaltigkeitsfaktoren verweisen und diese Faktoren bei der Allokation der eingesammelten Mittel berücksichtigt werden.
Handelt es sich um ein ökosoziales Finanzprodukt, dann müssen in der vorvertraglichen Information, wie zum Beispiel im Prospekt, nachfolgende ergänzende Angaben mit Blick auf die ökologischen und sozialen Merkmale gemacht werden:
- Angaben dazu, wie die ökologischen und/oder sozialen Merkmale erfüllt werden und
- Angaben zu einem verwendeten Referenzwert und Angaben dazu, ob und wie dieser Index mit weiteren Merkmalen vereinbar ist.
Die diesbezüglichen konkreten Anforderungen an die Finanzmarktteilnehmer werden zukünftig durch sogenannte Level-2-Maßnahmen noch weiter präzisiert werden (sogenannte technische Regulierungsstandards).
Im Zusammenhang mit einem ökosoziales Finanzprodukt ist zudem die Anwendbarkeit der Taxonomieverordnung zu beachten. Finanzprodukte, die ein ökologisches Merkmal bewerben, müssen nach der Taxonomieverordnung etwa beschreiben, ob und in welchem Umfang die dem Finanzprodukt zugrunde liegenden Investitionen in nachhaltige Aktivitäten im Sinne des Artikel 3 Taxonomieverordnung erfolgen.
d) Transparenz bei Bewerbung von Impact-Investing-Finanzprodukten in vorvertraglichen Informationen (Artikel 9)
Die Finanzmarktteilnehmer treffen nach Artikel 9 Offenlegungsverordnung weitere Transparenzanforderungen, wenn es sich um ein sogenannte Impact-Investing-Finanzprodukt handelt. Ein Impact-Investing-Finanzprodukt liegt vor, wenn mit dem Finanzprodukt
- eine nachhaltige Investition im Sinne von Artikel 2 Absatz 17 Offenlegungsverordnung (vergleiche die Definition des Begriffs der nachhaltigen Investition) oder
- die Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt wird.
Bei einem Impact-Investing-Finanzprodukt, mit dem eine nachhaltige Investition angestrebt wird, sind nachfolgend Informationen in den vorvertraglichen Informationen, wie zum Beispiel im Prospekt, anzugeben:
- Wird ein Index als Referenzwert bestimmt, sind Angaben erforderlich, wie der bestimmte Index auf das angestrebte Ziel ausgerichtet ist sowie Erläuterungen notwendig, warum und wie sich der bestimmte, auf das betreffende Ziel ausgerichtete Index von einem breiten Marktindex unterscheidet.
- Wird hingegen kein Index als Referenzwert bestimmt, so müssen Erläuterungen dazu enthalten sein, wie das angestrebte Ziel zu erreichen ist.
Bei einem Impact-Investing-Finanzprodukt, mit dem eine Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt wird, sind nachfolgende Informationen in vorvertraglichen Informationen erforderlich:
- Eine ausführliche Erklärung dazu, wie die Ziele geringer CO2-Emissionen zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris gewährleistet werden.
- Gibt es keinen EU-Referenzwert für Investitionen in eine klimafreundlichere Wirtschaft oder keinen EU-Referenzwert für auf das Übereinkommen von Paris abgestimmte Investitionen, ist eine detaillierte Erläuterung notwendig, wie zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris sichergestellt wird, dass kontinuierliche Anstrengungen zur Verwirklichung des Ziels einer Reduzierung der CO2-Emissionen unternommen werden
Die konkreten Anforderungen an die zu gebenden Informationen werden – wie auch bei den ökosozialen Finanzprodukten – zukünftig noch durch Level-2-Maßnahmen weiter präzisiert. Wiederum auch vergleichbar bei einem ökosozialen Finanzprodukt sind gegebenenfalls auch die Bestimmungen der Taxonomieverordnung zu berücksichtigen.
e) Transparenz bei Bewerbung von ökosozialen und Impact-Investing-Finanzprodukten auf Internetseiten (Artikel 10)
Finanzmarktteilnehmer, die ökosoziale oder Impact-Investing-Finanzprodukte anbieten, sind verpflichtet, bestimmte Informationen zu diesen Finanzprodukten auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. Artikel 10 Offenlegungsverordnung bestimmt, dass die nachfolgend veröffentlichen Informationen jeweils auf den aktuellen Stand zu halten sind:
- eine Beschreibung der ökologischen oder sozialen Merkmale oder des nachhaltigen Investitionsziels,
- Angaben zu den Methoden, die angewandt werden, um die ökologischen oder sozialen Merkmale oder die Auswirkungen der für das Finanzprodukt ausgewählten nachhaltigen Investitionen zu bewerten, zu messen und zu überwachen, unter anderem Angaben zu den Datenquellen, zu den Kriterien für die Bewertung der zugrunde liegenden Vermögenswerte sowie zu den relevanten Nachhaltigkeitsindikatoren, die zur Messung der ökologischen oder sozialen Merkmale oder der Gesamtnachhaltigkeitsauswirkungen des Finanzprodukts herangezogen werden,
- die in den Artikeln 8 und 9 Offenlegungsverordnung genannten Informationen sowie
- die in Artikel 11 Offenlegungsverordnung genannten Informationen.
Die auf der Webseite veröffentlichen Informationen müssen dabei klar, prägnant und für Anleger verständlich sein. Sie sind in einer präzisen, redlichen, klaren, nicht irreführenden, einfachen und knappen Form und an deutlich sichtbarer und leicht zugänglicher Stelle der Internetseite zu veröffentlichen.
Die konkreten Anforderungen der auf der Website zu veröffentlichenden Informationen werden wiederum zukünftig noch durch Level-2-Maßnahmen weiter präzisiert.
f) Transparenz bei Bewerbung von ökosozialen und Impact-Investing-Finanzprodukten in regelmäßigen Berichten (Artikel 11)
Die europäische Nachhaltigkeitsregulierung wirkt sich ab dem 1. Januar 2022 auch auf die regelmäßigen Berichte von Finanzmarktteilnehmern, die ökosoziale und Impact-Investing-Finanzprodukte öffentlich anbieten, aus. Im Einzelnen sind nach Artikel 11 Offenlegungsverordnung nachfolgende Informationen erforderlich:
- Bei einem ökosozialen Finanzprodukte ist anzugeben, inwieweit die ökologischen oder sozialen Merkmale erfüllt wurden.
- Bei einem Impact-Investing-Finanzprodukt ist die Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts, belegt durch relevante Nachhaltigkeitsindikatoren, anzugeben oder wenn ein Index als Referenzwert bestimmt wurde, ein Vergleich der Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts mit den Wirkungen des bestimmten Indexes und bei Zugrundelegung eines breiten Marktindex anhand von Nachhaltigkeitsindikatoren vorzunehmen.
Die konkret notwendigen Angaben werden wiederum zukünftig durch Level-2-Maßnahmen präzisiert.
g) Widerspruchsfreiheit von Marketingmitteilungen (Artikel 13)
Artikel 13 Offenlegungsverordnung richtet sich sowohl an Finanzmarktteilnehmer als auch an Finanzberater. Die Vorschrift verlangt, dass diese dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Marketingmitteilungen nicht im Widerspruch zu den Informationen stehen, die nach der Offenlegungsverordnung gesetzlich zwingend zu veröffentlichen sind.
Durch diese Regelung soll bezweckt werden, dass der Anleger nicht durch widersprüchliche Angaben etwa zu den ökosozialen oder Impact-Investing-Finanzprodukten in die Irre geführt wird. Die allgemeinen Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit von Marketingmitteilungen bleiben hiervon unberührt.
4. Haftungsrisiken aus der Offenlegungsverordnung
Auch wenn die Offenlegungsverordnung selbst keine eigenen Sanktionen im Fall einer Pflichtverletzung vorsieht, hält das Zivilrecht etwa in Gestalt der Prospekthaftung und der Beraterhaftung verschiedene Instrumente bereit, mit denen Verstöße gegen die Verordnung zivilrechtlich geahndet werden können.
So ergibt sich für Emittenten von nachhaltigen Finanzprodukten zum Beispiel ein Prospekthaftungsrisiko, wenn diese etwa im Prospekt ein Finanzprodukt nachhaltiger erscheinen lassen, als es tatsächlich ist (sogenanntes Greenwashing). Im Bereich des Investmentrechts kann sich in diesem Fall ein Prospekthaftungsanspruch geschädigter Anleger aus § 306 KAGB gegen den Emittenten des Finanzprodukts ergeben.
Auch ein Finanzvertrieb, der ein nachhaltiges Finanzprodukt vertreibt, kann einem Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Beraterhaftung ausgesetzt sein, wenn die nach der Offenlegungsverordnung offenzulegenden Informationen unrichtig sind oder sogar ganz fehlen. Insbesondere ist dem Vertrieb anzuraten, auch bei Marketingmitteilungen stets im Blick zu haben, dass die in Marketingmaßnahmen gegebenen Informationen nicht im Widerspruch zu den Informationen stehen, die im Rahmen der Offenlegungsverordnung bereits veröffentlicht wurden.
5.Ergebnis
Die Offenlegungsverordnung stellt einen wichtigen Meilenstein der Europäischen Kommission auf den Weg hin zu einer immer grüner werdenden europäischen Wirtschaft und insbesondere hin zu einem nachhaltig investierenden europäischen Finanzmarkt dar.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung durch die neu geschaffenen Begriffe des Finanzmarktteilnehmers, des Finanzberaters und des Finanzprodukts erheblich ausgeweitet wird, so dass aus Sicht der Europäischen Kommission möglichst viele Finanzunternehmen der Regulierung unterfallen. Kritisch ist insoweit anzumerken, dass durch die Schaffung immer neuer Rechtsbegriffe die Rechtsanwendung immer komplizierter und damit fehleranfälliger wird.
Dabei sind die produktbezogenen Offenlegungspflichten für Finanzmarktteilnehmer deutlichumfangreicher als diejenigen Offenlegungspflichten, die für Finanzberater gelten. Gleichwohl sollten die Finanzberater sich nicht einfach darauf verlassen, dass die Emittenten nachhaltiger Finanzprodukte die vorvertraglichen Produktinformationen schon im Einklang mit der Offenlegungsverordnung erstellen werden. Sie sollten vielmehr die Produktinformationen selbst kritisch prüfen, um so dem Risiko einer Beraterhaftung und dem Risiko unrichtiger Marketingmitteilungen vorzubeugen.
Dieser Artikel von Dr. Ingo Janert, Rechtsanwalt in der Kanzlei Janert Rechtsanwälte, erschien in „PROBERATER 2021“.