Finanzanlagenvermittler trifft neue Abfragepflicht über Nachhaltigkeitspräferenz
Die Rechtsanwälte Dr. Detmar Loff, Dr. Cornelius Hille und Dr. Tobias Bauerfeind von der global tätigen Rechtsanwaltskanzlei Ashurst LLP schrieben im Rahmen der PROBERATER-Initiative den Artikel "Neue Auflagen für Anlageberater: Abfragepflicht über Nachhaltigkeitspräferenzen".
Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f und Honorar-Finanzanlagenberater nach § 34h der Gewerbeordnung werden voraussichtlich ab April 2023 verpflichtet sein, ihre Kunden im Rahmen der Anlageberatung zu deren individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Dies ergibt sich aus einem Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV). Die geplante Änderung wird mithilfe eines eher unscheinbaren Kniffs in einer rechtlichen Verweiskette ermöglicht: Der bisherige „starre“ Verweis in der FinVermV auf eine bestimmte Fassung der einschlägigen europäischen Vorschriftensoll in Zukunft ein „dynamischer“ werden – und damit die jeweils geltende Fassung abdecken. Jede Anpassung der EU-Regelungen würde sich entsprechend mittelbar auch auf die FinVermV auswirken (wie aktuell bezüglich „ESG“).
Nach den im Rahmen einer Anlageberatung zu beachtenden Vorschriften der MiFID muss das Geschäft, das einem Kunden empfohlen oder für diesen getätigt werden soll, dessen individuellen Anlagezielen entsprechen. Die zugehörigen Informationen beinhalten inzwischen ebenjene ESG-Präferenzen des Kunden. Die Definition dieser „Nachhaltigkeitspräferenzen“ wird durch einen simplen Verweis auf die Taxonomie-VO und Offenlegungs-VO – die Kern- und Rahmenvorschriften des neuen ESG-Rechts in der EU – abgebildet. Die hohe Detaildichte und Komplexität dieser Regulierung und ihre Umsetzung werden die Branche vor große Hürden stellen – besonders hinsichtlich Zeit-, Kosten- und Informationsaufwand.
Vermeidung drohender Haftung
Vermittler haben generell zu bedenken, dass sowohl ein „Greenwashing“ als auch eine fehlerhafte Beratung per se zivilrechtliche Haftungsrisiken mit sich bringen und schon zu erfolgreichen Schadensersatzverfahren geführt haben. Angesichts (drohender) realisierter Kursverluste in den Kursentwicklungen an den Kapitalmärkten könnte die Bereitschaft notleidender Beratungskunden, Forderungen zu stellen oder gar den Rechtsweg zu bestreiten, zusätzlich zunehmen. Gerade mögliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen dienen streitwilligen Kunden als Einfallstor.
Im Übrigen werden die Finanzanlagenberater mit der Anpassung der FinVermV lediglich demselben Regulierungsniveau unterworfen wie alle übrigen Finanzmarktakteure. Schon seit dem 2. August des vergangenen Jahres sind nahezu sämtliche Finanzmarktteilnehmer, allen voran die in der Beratung oder Vermögensverwaltung tätigen Kredit- und Wertpapierinstitute, zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden verpflichtet. Schon aus Verbraucherschutzgründen war der deutsche Gesetzgeber hier in der Pflicht, aktiv zu werden und die bisherige Lücke zur Herstellung einheitlicher Beratungsstandards zu schließen.
ESG-Präferenzen
Nach dem Entwurf müssen Berater – anders als reine Vermittler, die ausgenommen sind – künftig Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erfragen, diese im Zuge der Geeignetheitsbeurteilung berücksichtigen und nur den Präferenzen der Kunden entsprechend nachhaltige Finanzanlageprodukte empfehlen.
Im Detail sind Fragen zum Mindestanteil ökologisch nachhaltiger Investitionen im Sinne der europäischen ESG-Vorschriften zu stellen und die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen. Umfangreiche Vorgaben sind zwar in der Taxonomie-VO und der Offenlegungs-VO enthalten, ein Branchenstandard muss sich anhand der begleitenden Vorgaben der ESMA jedoch erst noch entwickeln. Die größte Hürde einer zielgerichteten Beratung gegenüber Kunden, die gerade besonders nachhaltig investieren wollen, geht damit einher: In der Praxis finden sich nur sehr wenige wirklich nachhaltige Finanzprodukte im Markt.
Generell gilt – auch schon heute: Eine saubere Dokumentation ist zwingend. Bei Beratung von Privatkunden ist eine Geeignetheitserklärung anzufertigen, die die Geeignetheit der abgegebenen Anlageempfehlung hinreichend dokumentiert. Die Geeignetheitserklärung muss zukünftig auch die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden enthalten.
Integration in den Beratungsalltag
Das inzwischen berühmte Stichwort "ESG" schlägt demnächst auch bei den Finanzanlageberatern zu. Wer § 34f GewO unterfällt, ist damit gezwungen, das Thema Nachhaltigkeit schnell in den Beratungsalltag zu integrieren (inklusive einhergehender Anpassung der Strukturen und Dokumentation). Wer sich aber zeitig mit den Chancen der neuen (wirklich) „grünen“ Produkte und den zugehörigen Pflichten auseinandersetzt und schnell mit ESG vertraut ist, kann viele Risiken vermeiden.