Pflichten in der Phase des Marketing und des Pre-Marketings
Einführung
Bis zum 2. August 2021 richtete sich die Beurteilung von Marketingmaßnahmen im Bereich geschlossener Fonds im Wesentlichen nach § 302 alter Fassung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB). Durch das Fondsstandortgesetz wurde sodann § 302 KAGB umfassend geändert, so dass nun zusätzlich zu den Vorschriften in § 302 f. KAGB bei Werbung von AIF gegenüber Privatanlegern auch die Vorschriften in Art. 4 Abs. 1, 4 und 5 der Verordnung (EU) 2019/1156 gelten. Ergänzend zu diesen Vorschriften sind § 63 WpHG, Art. 44 und 46 der Verordnung (EU) 2017/565, BT 3 der MaComp, § 14 FinVermV sowie die Leitlinien der ESMA zu beachten. Neben dem eigentlichen Marketing regelt § 306b KAGB auch das sogenannte Pre-Marketing.
Nachfolgend sollen die wesentlichen Pflichten des Vertriebs in der Phase des Marketings und des Pre-Marketings vorgestellt werden.
Pflichten in der Phase des Marketings
Die Grundregel lautet, dass alle Marketingmitteilungen als solche erkennbar und ihr Inhalt redlich, eindeutig und nicht irreführend sein müssen (§ 63 Abs. 6 WpHG).
A. Marketingmitteilung
Als Marketingmitteilung gilt jede an potentielle Anleger von OGAW und AIF gerichtete Kommunikation, welche die Adressaten zum Erwerb eines Fondsanteils bewegen will. Reine Imagewerbung ist nicht erfasst. Zu den Marketingmitteilungen zählen neben der klassischen Werbung in Flyern, Werbeanzeigen oder auf Plakaten insbesondere auch Pressemitteilungen, Interviews, Videopräsentationen etc. Es ist gleichgültig, ob die Mitteilung gedruckt oder nur elektronisch vorliegt. Auch Mitteilungen über die sogenannten Social Media (Facebook, LinkedIn, Xing etc.) oder Blogs fallen unter den Begriff der Marketingmitteilung. Alle rechtlich vorgeschriebenen Dokumente wie der Fondsprospekt, die wesentlichen Anlegerinformationen, Jahres- und Halbjahresberichte, allgemeine Unternehmensmitteilungen, Gesellschaftsvertrag, Treuhandvertrag etc. fallen dagegen nach Auffassung der ESMA nicht unter Marketingmitteilungen. Auch sollen bloße Kurzmitteilungen auf Social Media, die auf die Webseite des Anbieters verweisen, aber selbst keine Informationen zu einem bestimmten AIF enthalten, keine Marketingmitteilung darstellen. Auch Mitteilungen im Rahmen des unten näher beschriebenen Pre-Marketings fallen nicht unter den ansonsten eher weit zu verstehenden Begriff der Marketingmitteilungen.
B. Erkennbarkeit und Haftungsausschluss
Eine Marketingmitteilung muss für den Adressaten als solche erkennbar sein. Die BaFin vertrat bislang die Auffassung, dass es nicht notwendig sei, eine Werbung, die ohnehin als solche erkennbar ist, auch noch mit „Werbung“ zu betiteln. Dies sieht die ESMA nun anders. Sie verlangt, dass in jeder Marketingmitteilung der Begriff „Marketing-Anzeige“ an gut erkennbarer Stelle platziert wird. Überdies muss jede Marketingmitteilung einen Haftungsausschluss enthalten. Die ESMA schlägt dazu folgenden Text vor:
„Dies ist eine Marketing-Anzeige. Bitte lesen Sie den Prospekt / die wesentlichen Anlegerinformationen des [Name des AIF], bevor Sie eine endgültige Anlageentscheidung treffen.“
Allerdings erkennt die ESMA an, dass ein solcher Haftungsausschluss nicht zu jeder Marketingmitteilung passt. Handelt es sich etwa um eine kurze Online Mitteilung, ein Banner oder ein kurzes Video, reicht auch die Einfügung des Begriffs „#Marketing-Anzeige“ aus.
In jeder Marketingmitteilung, die sich auf einen konkreten Fonds für Privatanleger bezieht, muss erwähnt werden, dass ein Prospekt bzw. die wesentlichen Anlegerinformationen existieren und wo diese erhältlich sind. Die Werbung für solche Fonds muss in der Regel Hyperlinks zu diesen Dokumenten enthalten, wenn dies in der konkreten Werbung möglich ist, so dass der Privatanleger die Informationen leicht findet. Außerdem ist darzustellen, dass der Vertrieb von der Verwaltungsgesellschaft jederzeit eingestellt werden kann.
C. Redlich, eindeutig und nicht irreführend
Ob eine Information redlich, eindeutig und nicht irreführend ist, muss aus der Perspektive des Adressanten beurteilt werden. Gerade im Hinblick auf Kleinanleger muss darauf geachtet werden, dass die in der Werbung verwendeten Begriffe für Kleinanleger in aller Regel verständlich sind. Wesentliche Aussagen müssen klar ausgedrückt werden. Es dürfen keine wesentlichen Aussagen weggelassen werden (Gebot der Vollständigkeit). Die Aussagen müssen für den Adressatenkreis verständlich formuliert sein. Irreführende Angaben erwecken bei den Adressaten einen Anschein über Verhältnisse, die nicht der Realität entsprechen. Wesentliche Punkte dürften nicht verschleiert oder abgeschwächt werden. Die Informationen müssen aktuell sein. Sie müssen in einer einheitlichen Sprache abgefasst sein, mehrsprachige Texte sind nicht erlaubt. Für in Deutschland vertriebene AIF ist Deutsch Pflichtsprache. Die Informationen in der Marketingmitteilung müssen mit den Informationen übereinstimmen, die in anderen Unterlagen wie etwa dem Verkaufsprospekt, einem Flyer oder den wesentlichen Anlegerinformationen enthalten sind, übereinstimmen (Gebot der Konsistenz). Insbesondere dürfen die Werbemitteilungen die Informationen, die im Prospekt oder in den wesentlichen Anlegerinformationen enthalten sind, nicht relativieren. Gerade auch in Vertriebsgesprächen ist es ja nicht unüblich, die lange Liste der im Prospekt enthaltenen Risikohinweise zu relativieren - dies mag für das Vertriebsgespräch gerade noch zulässig sein, bei Werbemitteilungen ist dies nicht erlaubt. Der Name des Vertriebs muss genannt werden. Bei Angaben über die steuerliche Behandlung ist anzugeben, dass diese von den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Kunden abhängt und künftig Änderungen unterworfen sein kann. Wird auf konkrete Einzelheiten eines Fonds eingegangen, ist zumindest gegenüber Kleinanlegern auch die Produktart (Erwerb von Anteilen / Aktien im Gegensatz zum Erwerb eines Basiswerts wie etwa eines Grundstücks) zu benennen. Auch die Anlagepolitik (was erwirbt der Fonds konkret?) muss dann beschrieben werden. Dementsprechend ist bei der werblichen Angabe des Einsatzes von Leverage die Funktionsweise der Hebelwirkung einschließlich der damit verbundenen besonderen Risiken zu beschreiben.
Eine Bezugnahme auf die BaFin sollte vermieden werden. Jedenfalls darf nicht der Eindruck entstehen, die BaFin habe die Anlage wirtschaftlich geprüft.
Bei kurzen Werbemitteilungen - wie etwa in den sozialen Medien üblich - sollte die Mitteilung neutral gehalten werden. Es kann dort ein Hinweis darauf erfolgen, wo genauere Informationen erhältlich sind.
Reißerische Angaben („der beste Fonds“, „sichere Anlage“) sind zu vermeiden. Bei Verweisen auf externe Quellen muss die Quelle und soweit relevant der Zeitraum angegeben werden, auf den sich die Quelle bezieht.
Die BaFin hat in ihrem Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (MaComp) vom 19.04.2018 unter BT 3.3.1 und 3.3.2 ein Fülle von Beispielen zusammengestellt, die die vorgestellten Grundsätze verdeutlichen.
D. Chancen und Risiken
Wenn in der Marketingmitteilung die Vorteile einer Anlage hevorgehoben werden, muss die Mitteilung auch einen Hinweis auf die Risiken enthalten. Dieser Hinweis muss redlich und deutlich und insbesondere in der gleichen Schriftgröße erfolgen, so dass der Hinweis hinreichend deutlich wird. Ein Hinweis in einer kleinen Fußnote wäre daher nicht zulässig. ESMA verlangt neuerdings, dass der Hinweis auf die Risiken an der gleichen Stelle wie der Hinweis auf die Chancen stehen muss und dass ein Hinweis auf ein anderes Dokument, das die Risikohinweise enthält, nicht zulässig sein soll. Daher muss die Marketingmitteilung, wenn denn besondere Vorteile der Anlage herausgestellt werden, zumindest die wesentlichen Risiken konkret benennen. Mit Verweisen auf andere Dokumente muss insgesamt sparsam umgegangen werden. Für die Darstellung der Chancen und Risiken gilt das Proportionalitätsprinzip: je mehr Chancen dargestellt werden, desto mehr Risiken müssen geschildert werden. ESMA schlägt vor, dass Chancen und Risiken tabellenartig gegenüber gestellt werden.
Wenn das Risikoprofil eines Fonds in der Werbung offengelegt wird, sollte sich diese auf dieselbe Risikoklassifizierung beziehen, wie sie in den wesentlichen Anlegerinformationen enthalten ist.
Soweit ein AIF für Kleinanleger beworben wird, muss in der Werbung eindeutig auf den illiquiden Charakter der Anlage hingewiesen werden, wenn die Anlage tatsächlich illiquide ist. Dies entspricht dem bisherigen Hinweis auf die fehlende Fungibilität der Anlage.
E. Vergleiche
Vergleiche mit anderen Fonds oder Anlageklassen müssen aussagekräftig sein und in einer redlichen und ausgewogenen Weise dargestellt werden. Die für den Vergleich verwendeten Quellen ebenso wie die für den Vergleich verwendeten Annahmen sind in der Werbung anzugeben.
Ein Vergleich des beworbenen Fonds mit anderen Anlagen ist laut ESMA auf solche Fonds zu beschränken, die eine ähnliche Anlagepolitik und ein ähnliches Risiko- und Ertragsprofil aufweisen. Wird von diesem Grundsatz abgewichen, sind die Unterschiede der Fonds angemessen zu erläutern. Dies ist im Grunde eine weitere Konkretisierung der Vorgabe, dass die Kommunikation mit potentiellen Kunden redlich sein muss.
Erlaubt ist auch die Darstellung eines Rankings verschiedener Fonds, wenn es sich um ähnliche Fonds im Hinblick auf die Anlagepolitik und das Risiko- und Ertragsprofil handelt und wenn der für das Ranking maßgebliche Zeitraum, der mindestens 12 Monate betragen muss, angegeben wird.
F. Kosten
Wenn in der Werbung auf die mit dem Fonds für den Ankauf, das Halten und den Verkauf verbundenen Kosten hingewiesen wird, muss dieser Hinweis so ausführlich gestaltet sein, dass der Anleger die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Kosten auf den Betrag der Anlage und die erwarteten Erträge abschätzen kann. Hier ist darauf zu achten, dass die Angaben mit den in anderen Unterlagen gemachten Angaben übereinstimmen.
G. Darstellung der Wertentwicklung
Für die Darstellung der Wertentwicklung eines Fonds enthalten insbesondere § 44 Abs. 4 ff., BT 3.3.4 MaComp sowie die Leitlinien der ESMA sehr detaillierte Vorgaben. Es muss jeweils deutlich auf den Bezugszeitraum der Angaben und die Informationsquelle sowie darauf hingewiesen werden, dass frühere Wertentwicklungen kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung sind. Bei Fremdwährungsfonds ist zusätzlich auf das Risiko von Währungsschwankungen hinzuweisen. Es muss auch darauf hingewiesen werden, ob es sich um eine simulierte Wertentwicklung oder eine tatsächliche Wertentwicklung handelt. Bei einer simulierten Wertentwicklung muss sichergestellt sein, dass die Annahmen für die Simulation auf der Wertentwicklung mindestens eines Finanzinstruments oder eines Finanzindex beruhen, welches mit den Gegebenheiten des Fonds im Wesentlichen übereinstimmt. Ziffer BT 3.3.4.1.8 der MaComp enthalten eine Fülle von weiteren Detailregelungen über die Zusammensetzung einer simulierten früheren Wertentwicklung. Die Mitteilung über eine Wertentwicklung darf nicht im Vordergrund der Werbung stehen. Bei der Angabe von Bruttowerten muss auch angegeben werden, wie sich Provisionen, Gebühren und Kosten auf die Wertentwicklung auswirken. Etwaige Fremdwährungsrisiken müssen erwähnt werden.
I. Angaben über die frühere Wertentwicklung
Grundsätzlich muss sich eine frühere Wertentwicklung auf einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren erstrecken. Wenn der Fonds eine geringere bisherige Laufzeit hat, muss sich die Wertentwicklung auf den gesamten Zeitraum erstrecken. Die Entwicklung muss in der Regel in absoluten oder relativen Prozentangaben erfolgen. Absolute Wertangaben (etwa in Euro) sind möglich, wenn eine solche Angabe geeignet ist. Es muss immer die Wertentwicklung für einen Zeitraum von jeweils 12 Monaten angegeben werden. Nach den neuen Leitlinien der ESMA sollen Fonds, die ein KIID im Sinne der VO (EU) 583/2010 erstellen, einen vorangegangenen Zeitraum von zehn Jahren darstellen. Damit möchte die ESMA die Bedingungen für Werbemitteilungen an die Regelungen für das KIID angleichen. Soweit ein Fonds ein PRIIPs-KID erstellen muss, soll diese Vorgabe noch nicht gelten. Dies mag sich allerdings zukünftig ändern.
Wenn es in der Vergangenheit Ereignisse gab, die sich maßgeblich auf die bisherige Wertentwicklung des Fonds ausgewirkt haben, sind diese Ereignisse in der Werbemitteilung anzugeben. Die ESMA schlägt in ihren neuen Leitlinien die Verwendung folgender Formulierung vor, die im Zusammenhang mit Darstellungen über frühere Wertentwicklungen in der Werbemitteilung enthalten sein muss:
„Die frühere Wertentwicklung lässt nicht auf zukünftige Renditen schließen.“
Diese Aussagen ist jeder Darstellung einer früheren Wertentwicklung voranzustellen.
II. Angaben über die künftige Wertentwicklung
Enthält die Werbung Prognosen über die zu erwartende künftige Wertentwicklung, darf diese Prognose nicht auf einer simulierten früheren Wertentwicklung beruhen und auch nicht auf eine solche Bezug nehmen. Eine für die Vergangenheit simulierte Wertentwicklung darf also nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden. Vielmehr muss die Prognose auf der Basis von durch objektive Daten gestützten Annahmen erstellt werden. Die Annahmen müssen angemessen sein, was bedeutet, dass sie zu plausibilisieren sind. Jede Prognose muss auch die Sensivitäten angeben. Das heißt, dass Alternativszenarien bei unterschiedlichen - insbesondere auch negativen - Marktbedingungen zu beschreiben sind.
Die ESMA Leitlinien schreiben folgende Erklärung vor, wenn die Prognose auf der bisherigen Wertentwicklung oder aktuellen Bedingungen beruht:
„Bei den dargestellten Szenarien handelt es sich um eine Schätzung der zukünftigen Wertentwicklung, die auf Erkenntnissen aus der Vergangenheit über die Wertentwicklung dieser Anlage und/oder den aktuellen Marktbedingungen beruht und kein exakter Indikator ist. Wie viel Sie tatsächlich erhalten, hängt davon ab, wie sich der Markt entwickelt und wie lange Sie die Anlage/das Produkt halten.“
Die ESMA verlangt ebenso wie Art. 44 Abs. 6 lit. c VO (EU) 2017/565 einen Hinweis darauf, dass die zukünftige Wertentwicklung der Besteuerung unterliegt, die von der persönlichen Situation des jeweiligen Anlegers abhängig ist und sich zukünftig ändern kann. Im Zusammenhang mit der Prognose künftiger Wertentwicklungen ist laut ESMA auch der Hinweis erforderlich, dass abweichend von der Prognose auch Verluste für den Anleger eintreten können, es sei denn, es besteht eine Kapitalgarantie für den Anleger. Ziffer BT 3.3.4.2 der MaComp enthält eine Reihe von Beispielen für die Gestaltung zukunftsbezogener Angaben in der Werbung.
H. Nachhaltigkeitsaspekte
Eine Pflicht zur Aufnahme von Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte der beworbenen Anlage besteht laut der ESMA Leitlinien nicht. Etwaige Transparenzerfordernisse ergeben sich allein aus der Offenlegungsverordnung und der damit im Zusammenhang stehenden weiteren Rechtsakte. Eine Werbung mit Nachhaltigkeit muss sich in dem Rahmen halten, was die Anlagestrategie bzw. die Anlagebedingungen oder die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag des jeweilig beworbenen Produkts vorgibt bzw. vorgeben. Ein „Greenwashing“ ist auch in Werbemitteilungen nicht erlaubt. In der Werbung dürfen nur solche Fonds auf nachhaltigkeitsrelevante Aspekte hinweisen, die Art. 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung erfüllen. Erforderlich ist ferner immer der Hinweis, dass bei einer Investmententscheidung nicht nur die nachhaltigkeitsrelevanten Aspekte, sondern auch alle anderen Eigenschaften und Ziele der Anlage kritisch analysiert und bewertet werden müssen.
Regelungen zum Pre-Marketing
Unter Pre-Marketing ist das Ausloten des Marktes für einen noch nicht zum Vertrieb zugelassenen AIF zu verstehen. Ein solches Ausloten des Marktes erfolgt ausschließlich für Fonds, die an professionelle und semi-professionelle Anleger vertrieben werden sollen. Pre-Marketing erfolgt in der Regel um zu prüfen, ob für ein bestimmtes, meist in einem One Pager oder Teaser überblicksartig beschriebenes Produkt Interesse bei möglichen Nachfragern besteht und, falls ja, wie ein solches Produkt im Detail strukturiert sein muss, damit die ins Visier genommenen Nachfrager dieses auch zeichnen würden. Im Extremfall kann ein solches Pre-Marketing zur Situation der „reverse solicitation“ führen, bei der der Anbieter des Produkts ein solches nach Abschluss der Pre-Marketingphase gar nicht mehr aktiv bewirbt und vertreibt, sondern bei dem vielmehr die Nachfrager am Markt sich bei dem Anbieter aus eigener Initiative melden, jeweils in der Hoffnung, das ihnen vorab vorgestellte Produkt zu erhalten. Reine Imagekampagnen, in denen kein konkretes Produkt benannt wird, fallen nicht unter die Regelungen des Pre-Marketing.
Das Pre-Marketing wurde mit dem Fondsstandortgesetz in § 306b KAGB genauer gesetzlich geregelt. Vor Inkrafttreten des Fondsstandortgesetz war Pre-Marketing nicht gesetzlich reguliert und damit erlaubt.
Pre-Marketing ist nur den in § 306b Abs. 6 KAGB genau bezeichneten Personen erlaubt. Dazu zählen vertraglich gebundene Vermittler im Sinne von § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kreditinstitute sowie die KVGs. Finanzanlagenvermittlern mit einer Erlaubnis gemäß § 34f GewO ist die Durchführung von Pre-Marketing nicht gestattet.
Üblicherweise wird Pre-Marketing von einer KVG durchgeführt. Die Pre-Marketing Maßnahmen dürfen nicht so konkret sein, dass sich Anleger allein aufgrund der vorgelegten Unterlagen und übermittelten Informationen für die Zeichnung der Anlage entscheiden können. Zeichnungsunterlagen dürfen den Anlegern im Rahmen des Pre-Marketing nicht vorgelegt werden. Die Gründungsdokumente der Anlagevehikel, der Prospekt und die übrigen Angebotsunterlagen dürfen noch nicht in endgültiger Form den Anlegern vorgelegt werden. In den Unterlagen, die den Anlegern übermittelt werden, muss ein deutlicher Hinweis darauf aufgenommen werden, dass es sich bei den Unterlagen nicht um ein Angebot oder eine Aufforderung zur Zeichnung von Anteilen handelt und dass die in den Unterlagen enthaltenen Informationen nicht zuverlässig sind, da sie möglicherweise noch unvollständig sind und Änderungen unterliegen. Die KVG muss durch interne Maßnahmen sicher stellen, dass Anleger aufgrund der Unterlagen, die sie im Rahmen eines Pre-Marketings erhalten haben, keine Zeichnung abgeben können. Die KVG hat daher bei den Anlegern nachzufragen, was die Grundlage der konkreten Zeichnung für jeden einzelnen Anleger ist. Sie hat die im Rahmen des Pre-Marketing durchgeführten Maßnahmen zu dokumentieren. Die KVG darf nur die Anleger annehmen, die auf der Grundlage der endgültigen, zugelassenen Vertriebsunterlagen zeichnen. Wenn ein professioneller oder semiprofessioneller Anleger für ein Pre-Marketing kontaktiert wird und dann innerhalb einer Frist von 18 Monaten danach die entsprechende Anlage zeichnet, gilt die Zeichnung als Zeichnung auf der Grundlage des Pre-Marketings und ist der BaFin anzuzeigen.
Der Beginn des Pre-Marketings ist der BaFin innerhalb von zwei Wochen nach Aufnahme anzuzeigen.
Schlussbemerkung
Die Regelungen für die Vertriebsunterlagen sind komplex und mittlerweile schwer durchschaubar geworden, da die Materie in verschiedenen Rechtsquellen geregelt wird, die im Detail sogar widersprüchliche Vorgaben enthalten. Eine rechtssichere Gestaltung der Werbemittel ist daher schwierig. Die Praxis behilft sich damit, auf diese Fragen spezialisierte Wirtschaftsprüfer mit der Erstellung eines Gutachtens über die beabsichtigten Werbemittel zu beauftragen. Dies klärt zum einen die Compliance der avisierten Werbemittel und bietet für den Vertrieb bzw. die KVGs die notwendige Haftungserleichterung.
Zusammenfassung
Der Vertrieb und neuerdings sogar der Vorvertrieb (das Pre-Marketing) unterliegen einer Reihe komplexer und zum Teil widersprüchlichen Regelungen. Die Gestaltung von Werbemitteln für einen Fonds ist damit schwierig. Der Artikel stellt die wesentlichen Regelungen im Einzelnen dar und beschreibt das seit letztem Jahr anzuwendende Verfahren für das Pre-Marketing.
Dr. Oliver Zander, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Weitnauer Rechtsanwälte, schrieb diesen Artikel im Rahmen von "PROBERATER 2022".