DVFA Monatsfrage: Intransparente Geschäftsmodelle entscheidender Motor für Short Seller
Der Berufsverband der Investment Professionals DVFA hat seine Mitglieder in der aktuellen Monatsfrage zu aktivistischen Investoren befragt, die zuletzt verstärkt auch in Deutschland aufgetreten sind. Die wohl bekanntesten Transaktionen in Deutschland waren Wirecard, Grenke Leasing und die Adler Group. Die dadurch ausgelösten Kurskorrekturen waren substanziell und führten im Fall Wirecard sogar zum Aufdecken eines Betrugsskandals, der in der Insolvenz endete.
Als Grundlage für das Verhalten aktivistischer Investoren sehen 71 Prozent der befragten DVFA Investment Professionals eine Mischung aus der Spekulation auf fallende Kurse mit Leerverkäufen und der Fundamentalanalyse an. Fast gleichauf liegt die Vermutung, dass es sich um Shortseller (14 Prozent) beziehungsweise Analytiker (15 Prozent) handelt.
Eine zweite Frage zielte auf die allgemeine Bewertung von Shareholder Activism. Eine Mehrheit von 83 Prozent sieht die Investment-/Tradingstrategie als Korrektiv bei überbewerteten oder durch Fehlentwicklungen gekennzeichneten Kapitalmärkten an, 17 Prozent halten diese Strategie für schädlich.
Die Entwicklung an den Kapitalmärkten im Hinblick auf Unternehmensskandale wie Wirecard kann die Frage nach der Notwendigkeit staatlicher Eingriffe aufwerfen. Insbesondere in Baissephasen geraten Short Seller regelmäßig in die Kritik. Trotzdem sehen 41 Prozent keinen zusätzlichen Regulierungsbedarf beim Short Selling, 35 Prozent jedoch erkennen dort einen Bedarf, keine dezidierte Meinung haben 24 Prozent der Befragten.
Bei der Frage nach den entscheidenden Parametern, auf die aktivistische Investoren beim Zielunternehmen achten, mussten zwei ausgewählt werden. An der Spitze rangiert die Intransparenz des Geschäftsmodells mit 72 Prozent. Überbewertungen respektive überzogene Wachstumserwartungen (48 Prozent) und mangelnde Corporate Governance (42 Prozent) liegen auf den Plätzen zwei und drei. Eine instabile Gesellschafterstruktur (keine Ankerinvestoren/keine strategischen Investoren) erhielt 25 Prozent der Nennungen. Am wenigsten relevant erschien den Befragten die Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen, zum Beispiel Finance oder Tech. Auf diese Antwortmöglichkeit entfielen fünf Prozent der Stimmen. Unter „Sonstige“ nennen die Befragten unter anderem die ESG-Performance - ESG steht für die Nachhaltigkeitskriterien Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung - und falsche Weichenstellungen in der Geschäftspolitik und Unternehmensstrategie als Treiber.
Die fünfte Frage lautete: Welche Mindestmarktkapitalisierung beziehungsweise Bandbreiten der Marktkapitalisierung sehen Sie beim Zielunternehmen, um als Target für einen aktivistischen Investor interessant zu sein? Die Antwortmöglichkeiten umfassten die Gesamtspanne von weniger als 1,0 Milliarden Euro bis zu mehr als zehn Milliarden Euro in fünf Abstufungen.
Es ergibt sich ein differenziertes Bild, nach dem gleich viele DVFA Investment Professionals, nämlich jeweils 29 Prozent, die Spanne zwischen 1,0 Milliarden Euro bis 2,5 Milliarden Euro sowie 2,5 Milliarden Euro bis 5,0 Milliarden Euro als bevorzugte Größenklasse für Zielunternehmen einschätzen. 5,0 Milliarden Euro bis zehn Milliarden Euro sagen 14 Prozent der Abstimmenden. Für den Randbereich nach unten - kleiner als 1,0 Milliarden Euro - geben 18 Prozent ihre Stimme ab, und für den nach oben - größer als zehn Milliarden Euro – stimmen zehn Prozent.
In den Kommentaren wurde mehrfach hervorgehoben, dass die Marktkapitalisierung eine eher untergeordnete Rolle spielt, und für aktivistische Investoren andere Faktoren entscheidend sind.
Mit Blick auf die Entwicklung der Zahl der Attacken in den nächsten drei Jahren sind 72 Prozent der Auffassung, dass sie steigen wird. 26 Prozent schätzen die Zahl als gleichbleibend ein und zwei Prozent erwarten eine sinkende Anzahl an Attacken.
„Aktivistische Investoren mischen sich stärker ein und sorgen für Bewegung am Kapitalmarkt. Das kann zu einer positiven Bereinigung von Bewertungsblasen führen, zeigt aber auch negative Auswirkungen. Das Ergebnis der Umfrage legt nahe, dass insbesondere intransparente Geschäftsmodelle und mangelnde Corporate Governance zu Shareholder Activism einladen. Als Schutzmaßnahme sollten Vorstände und Aufsichtsräte sich deshalb verstärkt für Transparenz und gute Unternehmensführung einsetzen“, sagt Thorsten Müller, Vorstandsmitglied des DVFA. (DFPA/JF1)
Der DVFA Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. (DVFA) mit Sitz in Frankfurt am Main ist die Standesorganisation aller Investment Professionals in den deutschen Finanz- und Kapitalmärkten. Für seine über 1.400 Mitglieder aus dem Investment- und Risikomanagement engagiert sich der Verband für die Professionalisierung des Berufsstandes, erarbeitet Standards, fördert den Finance-Nachwuchs und bringt sich in die regulatorische und politische Diskussion ein.