DVFA warnt: ESG-Anforderungen überfordern kleine und mittlere Unternehmen
Der Berufsverband der Investment Professionals in Deutschland, die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), hat sich mit den ESG (Environmental, Social, Governance)-Anforderungen im Zusammenhang mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auseinandergesetzt und warnt vor einer regulatorischen Überforderung.
Fondsgesellschaften und Asset Manager sind im Rahmen der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR, die Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor regelt) kontinuierlich aufgerufen, alle Portfoliopositionen zu klassifizieren, um so eine ESG-Einordnung des jeweiligen Fonds zu ermöglichen.
Dabei werden Investmentfonds analog der SFDR in drei Kategorien eingestuft: Artikel-9-Fonds, sogenannte Impact Investment Fonds, Artikel-8-Fonds, die mehrheitlich in Unternehmen investieren, die bereits ESG-Kriterien erfüllen und sogenannte Artikel-6-Fonds, die keine beziehungsweise nur eine geringe ESG-Affinität aufweisen.
„Vor dem Hintergrund der kontinuierlich und zuletzt stark zunehmenden Mittelzuflüsse für ESG konforme Investments wird klar, wie wichtig die Erfüllung von ESG Kriterien für börsennotierte Unternehmen ist. Andernfalls droht den Unternehmen die Gefahr, für ESG Fonds nicht mehr investierbar zu sein“, meint Christoph Schlienkamp, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DVFA und Portfoliomanager bei der GS&P Kapitalanlagegesellschaft.
DAX, MDAX und zum Teil auch SDAX Unternehmen haben darauf reagiert und nahezu vollständig eigene ESG-Teams gebildet, die Datenhaushalte aufbauen, sich von externen Nachhaltigkeitsspezialisten beraten und sich von ESG Ratingagenturen bewerten lassen.
„Im Rahmen der Offenlegungsverordnung hat sich jedoch gezeigt, dass Fonds, die gemäß Artikel-8 bzw. Artikel-9 klassifiziert sind und in KMU (kleine und mittelständische Unternehmen) investieren in der Regel weder auf Ratings noch auf entsprechende Daten des Unternehmens zurückgreifen können. Somit unterstellt die Methodologie der Fondsanbieter, dass diese Unternehmen automatisch als nicht nachhaltig eingestuft werden beziehungsweise keinen Impact geben. Damit werden Investments in KMU deutlich erschwert beziehungsweise durch die jeweils fondsspezifische Umsetzung der Offenlegungsverordnung gegebenenfalls sogar systematisch ausgesteuert“, meint Thorsten Müller, Mitglied des DVFA Vorstands und Geschäftsführer der Lighthouse Corporate Finance.
Neben der niedrigen Liquidität, die Investments institutioneller Investoren in KMU bereits seit längerem deutlich erschweren, kommt nun laut der DVFA in Form der ESG-Anforderungen eine weitere Hürde hinzu.
Damit drohe die Kapitalmarktfinanzierung für KMU weiter auszutrocknen. Dies hätte katastrophale Konsequenzen für Wachstumsunternehmen, für deren IPOs, Kapitalerhöhungen, Bond Emissionen und den börsennotierten KMU Sektor insgesamt.
Ein umfassendes ESG-Reporting könne derzeit von vielen börsennotierten KMU nicht geleistet werden. Es fehlen ausgebildete ESG-Spezialisten, Datenhaushalte müssten in den Unternehmen erst aufgebaut werden und die externen Berater, die Unternehmen in Richtung einer ESG-Strategie begleiten könnten, stehen nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung.
Der DVFA fordert deshalb, dass in die EU-Taxonomie oder in die aktuell in der Konsultation befindliche Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) kurzfristig eine Übergangslösung für kapitalmarktorientierte KMU eingefügt wird. Institutionellen Investoren sollte es ermöglicht werden, ein KMU als Artikel-8 konform einzustufen, sofern eine ESG-Basisstrategie des betreffenden Unternehmens vorliegt. (DFPA/TH1)
Der DVFA Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. (DVFA) mit Sitz in Frankfurt am Main ist die Standesorganisation aller Investment Professionals in den deutschen Finanz- und Kapitalmärkten. Für seine über 1.400 Mitglieder aus dem Investment- und Risikomanagement engagiert sich der Verband für die Professionalisierung des Berufsstandes, erarbeitet Standards, fördert den Finance-Nachwuchs und bringt sich in die regulatorische und politische Diskussion ein.