IMK-Analyse: Schattenbanken gefährden die Stabilität der Finanzmärkte
Je länger die Niedrigzinsphase in Europa und den USA andauert, desto größer werden die Risiken im Finanzsystem. Die Gefahr geht von Versicherungen, Pensionskassen und Investmentfonds aus, die in risikoreiche Papiere investieren und deren Anlagegeschäfte nach wie vor nicht ausreichend reguliert sind. Die Entwicklung der Immobilienpreise stellt in Deutschland aktuell kein Problem dar – anders als in einigen anderen europäischen Ländern. An den deutschen Aktienmärkten könnte es hingegen noch zu Korrekturen kommen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Finanzmarktstabilitätsreport des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Die Ökonomen Dr. Thomas Theobald und Dr. Silke Tober vom IMK sowie Emanuel List von der Wirtschaftsuniversität Wien haben im Rahmen des Finanzmarktstabilitätsreports untersucht, wie es um die Stabilität der Finanzmärkte steht – und welche Rolle dabei die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) spielt. Die Autoren halten die Art der Niedrigzins-Geldpolitik angesichts von schwachem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit in vielen Euro-Ländern für gerechtfertigt. Allerdings weisen sie auf die Nebenwirkungen hin: Investoren ließen sich durch langfristig niedrige Zinsen dazu verleiten, auf der Suche nach Rendite größere Risiken einzugehen. Das Geld, das sie günstig leihen, werde teilweise an den Finanzmärkten investiert, was die Vermögenspreise weiter antreibe.
Endet der Boom an den Finanzmärkten, etwa weil die Notenbanken die Zinsen anheben, könnten jene Investoren in Schwierigkeiten geraten, die über zu wenig Eigenkapital verfügen, um etwaige Verluste auszugleichen. Davon könnte „eine Bedrohung für die Finanzstabilität“ ausgehen, warnen die Autoren. Bereits 2008 löste die Pleite einzelner Institute eine Kettenreaktion aus, die Krise erschütterte das gesamte Finanzsystem und zog schließlich die reale Wirtschaft in Mitleidenschaft. Das Problem seien diesmal jedoch weniger die klassischen Banken – diese seien durch neu auferlegte Regeln und höhere Kapitalanforderungen sicherer geworden.
Den Ökonomen zufolge geht die größere Gefahr von sogenannten Schattenbanken aus, darunter Geldmarktfonds, Investmentfonds, Versicherungen und Pensionskassen. „Schattenbanken betreiben zum Teil bankähnliche Geschäfte, die keiner entsprechenden Regulierung unterliegen“, schreiben Theobald, Tober und List. In diesem Bereich gebe es Anzeichen für eine verstärkte Risikobereitschaft. So sei zwischen dem 1. Quartal 2009 und dem 1. Quartal 2015 zwar der Anteil der gehaltenen Aktien in den Portfolios gesunken (minus 21 Prozent). Doch noch stärker ging der Anteil der vergleichsweise sicheren Einlagen (minus 39 Prozent) zurück, während riskantere Anlageformen wie Sonstige Wertpapiere (plus 90 Prozent) und Investmentfondsanteile (plus 56 Prozent) stark zulegten.
Umso wichtiger sei es, die bisher vernachlässigten Bereiche besser zu überwachen. Dazu bedürfe es vor allem einer „makroprudentiellen Regulierung“, also der Überwachung des Finanzsektors auf übergeordneter Ebene, nicht nur auf Ebene der einzelnen Institute.
Quelle: Pressemitteilung IMK
Das im Jahr 2005 gegründete Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) erforscht konjunkturelle Phänomene auf Basis gesamtwirtschaftlicher Modellzusammenhänge. Als Teil der Hans-Böckler-Stiftung wird das Institut größtenteils aus Stiftungsmitteln finanziert. Diese Grundfinanzierung garantiere eine maximale Forschungsfreiheit. (JF1)