Konjunkturumfrage: "Europa muss seine hausgemachten Probleme lösen"
Erst das Brexit-Votum im Vereinigten Königreich, dann Donald Trumps Wahlsieg in den USA – die globale Verunsicherung steigt. Das wirkt sich laut Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) auf die deutsche Konjunktur aus: Das IW rechnet für 2017 nur mit einem Plus von gut einem Prozent. Das untermauere auch die IW-Konjunkturumfrage unter rund 2.900 Unternehmen in Deutschland.
Knapp 39 Prozent der vom IW Köln befragten Firmen gehen von einer steigenden Produktion im kommenden Jahr aus, nur knapp 13 Prozent erwarten einen Rückgang für ihren Betrieb. Fast die Hälfte rechnet mit einer Stagnation. Damit sind die Produktionserwartungen der IW-Befragungen für 2016 und 2017 trotz der höheren Unsicherheit nahezu gleich. Besonders optimistisch sind Industriefirmen mit 43 Prozent, Dienstleister kommen nur auf 36 Prozent und das Baugewerbe sogar auf nur gut 28 Prozent.
Wie bereits im vergangenen und im laufenden Jahr treibt der private und öffentliche Konsum die deutsche Wirtschaft an. Von öffentlicher Seite sind das insbesondere die zusätzlichen Ausgaben für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen. Niedrige Kreditkosten und geringe Sparanreize wegen der Minizinsen begünstigen weiterhin den privaten Konsum. Hinzu kommt der anhaltend gute Arbeitsmarkt.
Sorge bereiten den IW-Prognostikern die zunehmend protektionistischen Tendenzen in vielen Ländern, vor allem die Aussagen des künftigen US-Präsidenten Trump. Gerade für Deutschland als exportorientiertes Land wäre ein protektionistischer und isolationistischer Kurs der USA mittel- und langfristig ein Wachstumsrisiko, so das IW Köln. Gleiches gelte für den Brexit: Auch wenn die direkten Auswirkungen für die meisten EU-Mitglieder kurzfristig überschaubar bleiben dürften, gefährde der Austritt des Vereinigten Königreichs die Stabilität der EU und das Vertrauen in die Union. Hinzu kommen die nicht abgeschlossene Staatsschuldenkrise im Süden des Euroraums, die Reformnotwendigkeiten Frankreichs und die Schwierigkeiten im italienischen Bankensystem.
„Europa muss seine hausgemachten Probleme lösen“, fordert IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt. „Wenn die USA künftig wirklich weniger berechenbar sind, muss die EU umso berechenbarer und entscheidungsfähiger werden“, so Bardt.
Quelle: Pressemitteilung IW Köln
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW) mit Hauptsitz in Köln, einem Hauptstadtbüro in Berlin und einer Verbindungsstelle in Brüssel ist ein arbeitgebernahes Wirtschaftsforschungsinstitut. Es wird von Unternehmen und Verbänden der privaten Wirtschaft finanziert und setzt sich für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein. (JF1)