Marktkommentar: Anleihemangel setzt Renditen von Staatsanleihen unter Druck
Für Anleger, die in Staatsanleihen aus Industriestaaten investieren wollen, wird es immer schwieriger, geeignete Wertpapiere zu finden. Denn neben den oftmals negativen Renditen ist der Mangel an verfügbaren Anleihen ein zentrales Problem. So besitzen die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan (BoJ) mittlerweile bereits 15 Prozent beziehungsweise 38 Prozent der jeweilig verfügbaren Staatanleihen. Das stellt Dierk Brandenburg, Staatsanleihen-Analyst bei Fidelity International, in einem aktuellen Marktkommentar fest. Es stelle sich die Frage, ob zukünftig noch genügend sichere Wertpapiere im Umlauf sein werden, um sowohl das Interesse der Investoren allgemein als auch der Zentralbanken zu befriedigen.
Die japanische Geldpolitik stoße laut Brandenburg bereits an ihre Grenzen. Die jüngste Ankündigung, bei Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit eine Rendite von null Prozent anzustreben, wurde von einigen Experten als Beweis dafür angesehen, dass das Quantitative Easing (QE) in der gegenwärtigen Form nicht mehr funktioniere. BoJ-Gouverneur Haruhiko Kuroda erklärte zwar, dass es keine signifikante Veränderung in der Höhe der Anleihekäufe geben werde. Doch es dürfte klar sein, dass die expansive Geldpolitik endgültig an ihre Grenzen stößt, so Brandenburg.
Die EZB sei bislang noch nicht mit einem so gravierenden Mangel an geeigneten Anleihen konfrontiert, doch es gibt nach Einschätzung des Fidelity-Analysten wachsende Anzeichen von Knappheit. Der Anteil der von der EZB gehaltenen Anleihen am Markt ist zwar kleiner als der von der BoJ und sogar der Fed, aber ihr Anteil steige rasant an.
Eine Ausweitung des QE-Programmes der EZB würde die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage weiter vergrößern. Gleichzeitig habe die Nachfrage stark zugenommen, etwa durch Banken, Geldmarktfonds und Versicherer, ausgelöst durch regulatorische Vorgaben sowie eine generell steigende Risikoaversion.
Jede Entscheidung der EZB, das QE-Programm über März 2017 hinaus zu verlängern, würde das Problem des Mangels am europäischen Staatsanleihenmarkt vergrößern. Angesichts dieser Bedenken könnten die Zentralbanken künftig alternative Stimulierungsmaßnahmen in Erwägung ziehen. Die Anleiherenditen dürften in diesem Umfeld kurz- bis mittelfristig unter Druck geraten. Langfristig aber bleibe „Lower for Longer“ - der Ausdruck, der die neue Normalität niedriger Zinsen für länger als erwartet beschreibt -, weiter gültig, so Brandenburg.
Quelle: Marktkommentar Fidelity International
Fidelity Worldwide Investment (FIL Limited) ist eine 1969 gegründete, weltweit tätige Fondsgesellschaft mit Sitz in Boston. Das Unternehmen ist ein Schwesterunternehmen des 1946 gegründeten, auf den amerikanischen Markt fokussierten Vermögensverwalters Fidelity Investments (FMR LLC). Die Anteile beider Gesellschaften befinden sich vollständig in Familien- und Mitarbeiterbesitz. FIL Limited verwaltet ein Vermögen in Höhe von rund 258 Milliarden Euro. (Stand: 30. September 2016) (TH1)