Wer ist der (aufklärungspflichtige und haftende) Berater oder Vermittler – die Sicht des Kunden ist entscheidend
Executive Summary
Haben mehrere Personen bzw. Unternehmen im Vorfeld einer Anlageentscheidung Kontakt mit dem Kunden, ist oft nicht eindeutig, wer von ihnen die gesetzlich geforderten Abfrage- und Aufklärungsverpflichtungen zu erfüllen hat. Fühlt der Kunde sich nach einer entsprechenden Entscheidung schlecht beraten und macht ggf. sogar Haftungsansprüche geltend, stellt sich ebenfalls die Frage, wer für eine (berechtigt) vorgebrachte Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten gegenüber dem Kunden einzustehen hat. Eine generelle Regel, etwa im Sinne des zeitlich „letzten“ Kontakts oder des inhaltlich „maßgebenden“ Gesprächspartner des Kunden gibt es hier nicht. Vielmehr ist die Sicht des Kunden immer der entscheidende Ausgangspunkt, wenn zivilrechtliche Pflichten in Rede stehen. Die Regelungen des Innenverhältnisses bei mehrstufigen Vertriebsverhältnissen und auch die aufsichtsrechtliche Einordnung bzw. Anforderungen an verschiedene Beteiligte sind dabei nicht als solche maßgebend, sondern allenfalls eine Auslegungshilfe für die Frage, wem der Kunde (berechtigter Weise) Vertrauen entgegengebracht hat. Trotzdem bleiben auch diese Regelungen wichtig – spätestens bei der Frage, wer sich ggf. im Innenverhältnis regresspflichtig machen kann oder sogar mit aufsichtsrechtlichen Sanktionen zu rechnen hat. Eine im Zweifel „mehrfache“ Erfüllung der Pflichten ist gegenüber einer vielleicht falschen Einschätzung, dass die betreffenden Pflichten im konkreten Fall von anderer Seite zu erfüllen gewesen wären, der bessere Weg.
1. Das Aufsichtsrecht ist für die Kundenbeziehung nur „einseitig“ maßgebend.
Angefangen von der umfassenden „Vollbanklizenz“ als Kreditinstitut § 1 Abs. 1 i. V. m. § 32 KWG) über qualifizierte Genehmigungen etwa zur umfassenden Portfolioverwaltung oder Anlagevermittlung und Beratung als Finanzdienstleistungsinstitut (§ 1 Abs. 1a) KWG) gibt es eigenschränke Genehmigungen zum Vertrieb für bestimmte Assetklassen, wie etwa Wertpapiere, Anlagen nach KAGB oder dem VermAnlG. Dort gibt es z. T. auch wiederum die aufsichtsrechtliche Einordnung als „tied agent“ (§ 2 Abs. 10 KWG, § 3 Abs. 2 WplG), nach der eine begrenzte Beratungs- bzw. Vermittlungstätigkeit auch ohne eigene Zulassung in Betracht kommt, wenn man unter Aufsicht und Haftung eines entsprechend zugelassenen Unternehmens agiert. Die aufsichtsrechtlich „niedrigste Stufe“ stellt der sog. „Tippgeber“ dar, der überhaupt keine aufsichtsrechtlichen Genehmigungen benötigt, dabei zugleich aber auch inhaltlich keine maßgebenden Funktionen bei der entsprechenden Vermittlung oder Beratung durchführen darf (vgl. hierzu schon Zacher, PROBERATER Kompendium 2020 I, S. 65 ff.).
Die verschiedenen Voraussetzungen für die aufsichtsrechtliche Qualifikation und Zulassung und die sich daraus jeweils ergebenden Pflichten für die Organisation und Durchführung der jeweiligen Tätigkeit sind ein besonderes Thema, welches von PROBERATER auch schon in vielen Facetten angesprochen wurde. Für die hier im Fokus stehende Problematik ist es wichtig, zu verstehen, dass die entsprechenden Kategorien und Anforderungen nur ein „Soll-Programm“ darstellen, welches anfänglich erfüllt und in der praktischen Tätigkeit auch eingehalten werden muss. Diese Anforderungen werden jedoch nicht immer durch das „ist“ der realen Vertriebswelt abgebildet. Wer z. B. eine Genehmigung nach § 34f Nr. 1 GewO besitzt, muss und darf den Kunden ggf. über das entsprechende Produkt nach VermAnlG aufklären und auch Vergleiche innerhalb dieser Assetklasse vornehmen. Ist der Kunde dann aber von dem entsprechenden Vorschlag überzeugt, stellt sich manchmal die Frage, hierfür ein im Kundenportfolio schon vorhandenes Produkt zu veräußern. Unterfällt dies einer anderen Anlageklasse, darf der (beschränkte) Erlaubnisinhaber auch von diesem Produkt nicht konkret „abraten“, um dem Kunden die Anlage in das empfohlene Produkt zu ermöglichen. Verweist der Kunde also im Beispielsfall z. B. auf sein in der Perfomance enttäuschendes Aktienportfolio, mögen noch allgemeine Aussagen zur Perfomance von Aktien oder bestimmten Anlagebereichen möglich sein; die konkrete Empfehlung, welche Aktienpositionen denn nun „am besten“ verkauft werden sollen, um das VermAnlG-Produkt stattdessen zu erwerben, darf der Inhaber einer nach § 34f Abs. 1 Nr. 3 beschränkten Erlaubnis nicht abgeben. Das Gleiche gilt bei einem generell anlagewilligen Kunden, der eine konkrete Abwägung zwischen der im anderweitig empfohlenen Aktienanlage XY und dem Kapitalanlageprodukt Z vornehmen möchte und seinen Berater „aus der Reserve locken“ möchte, indem er von ihm einen Vergleich oder die konkrete Herausstellung der Vor- und Nachteile der von diesem empfohlenen Anlage Z gegenüber die Aktie XY wünscht.
Diese und weitere Abgrenzungsfragen sind schon in der Theorie oft kaum eindeutig zu bestimmen; jeder in der Praxis Tätige weiß auch, dass es oftmals bei solchen Anfragen sehr schwerfällt, dem Kunden die Antwort auf eine vertrauensvoll gestellte Frage zu verweigern. Besonders gefährdet sind hier auch sog. Tippgeber, wenn sie in anderen Bereichen (wie z. B. Versicherungen) durchaus eine entsprechende Zulassung und intensive Vertrauensbeziehung zu dem entsprechenden Kunden haben, für die jetzt in Rede stehende Anlagemöglichkeit aber an einen anderen Kollegen verweisen (müssen).
Hier gilt die klare Regel, dass die aufsichtsrechtliche Einstufung gegenüber der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zurücktritt. Der Reflex, darauf zu verweisen, dass man doch „ohnehin nur eine aufsichtsrechtlich begrenzte Befugnis gehabt habe und schon deshalb auch keine Verpflichtungen bzw. eine Haftung gegenüber dem Kunden in Betracht käme“, führt daher alleine nicht weiter, wenn dies nicht auch gelebte Praxis im konkreten Fall war. Dies ist auch nachvollziehbar, da ein Überschreiten des aufsichtsrechtlich zugelassenen Tätigkeitsrahmens oder gar ein Handeln ganz ohne entsprechende Erlaubnis vom Aufsichtsrecht nicht geschützt sein soll. Beim Überschreiten des zugelassenen Tätigkeitsrahmens oder der mangelnden Erfüllung der dort vorgeschriebenen Verfahrensweisen kommen daher aufsichtsrechtliche Sanktionen bis hin zu Geldbußen oder gar Strafen zusätzlich in Betracht; die zivilrechtliche Haftung für die tatsächlich ausgeübte „verbotene“ Tätigkeit bleibt daneben bestehen und wird nicht etwa ausgeschlossen. Zivilrechtlich ist sogar regelmäßig das Gegenteil der Fall: Hat man „out of area“ gehandelt, wird dies von den Zivilgerichten regelmäßig schon per se als haftungsbegründend angesehen, sodass es in diesen Fällen oftmals nicht mehr auf den konkreten Nachweis einer inhaltlichen fehlerhaften Beratung oder Vermittlung ankommt!
2. Auch keine Maßgeblichkeit der internen Stellung im Vertriebssystem
Die dargestellten Grundsätze für die Frage des Vorhandenseins oder des Umfangs einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung gelten weitgehend entsprechend für die Bedeutung der internen Stellung in einem Vertriebssystem, jedenfalls soweit es die (Außen-) Haftung gegenüber dem Kunden angeht. Auch dort werden sowohl im Hinblick auf die beteiligten Unternehmen wie auch Einzelpersonen oft sehr umfangreiche Vertragswerke vereinbart, die nicht nur die grundsätzliche Stellung der Parteien zueinander, sondern auch im Detail deren Rechte und Pflichten regeln sollen. Nach deutschem Rechtsverständnis ist hier zum einen zwischen einer angestellten oder selbstständigen Tätigkeit im Vertrieb zu unterscheiden und dort wiederum nach den Grundtypen des konstruktiv nicht ständig von einer Seite beauftragten, sondern eher selbstständig zwischen den Parteien stehenden Maklers, des im Interesses eines oder mehrerer Produktgeber handelnden Handelsvertreters und schließlich wiederum des bloßen Tippgebers. Dabei gibt es wiederum Grenz- und Sonderfälle, wie etwa Strukturvertriebe oder Mehrfachagenten.
Auch hier greift der naheliegende Reflex, im Falle des Auftretens eines Problems mit dem Kunden gegenüber diesem auf das Innenverhältnis (und ggf. die dortigen Detailregelungen) zu verweisen, regelmäßig zu kurz. Wer etwa als unabhängiger Makler mit dem Anspruch eines umfassenden und unbeschränkten Produktportfolios auftritt, kann dem – unterstellt: berechtigten – Vorwurf des Kunden nicht dadurch entgegentreten, dass er doch nur im Auftrag des übergeordneten Unternehmens XY gehandelt habe, er ggf. sich nur innerhalb des dort vorgegebenen Produktrahmens habe bewegen dürfen und/oder er ohnehin bestimmte Tätigkeiten gar nicht habe übernehmen dürfen. Solche Beschränkungen im Innenverhältnis können für den Schadensausgleich eine große Rolle spielen. Sie können jedoch nicht dem Kunden in der Weise entgegengehalten werden, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf“.
3. Die – entscheidende – Sicht des Kunden
Das Anforderungs- und Haftungsregime im Verhältnis zum Kunden bestimmt sich tatsächlich danach, welche Erwartungen dieser berechtigter Weise an sein Gegenüber haben dürfte. Konnte oder musste er seinen Ansprechpartner persönlich als „umfassenden Berater in Vermögensfragen“ nach dessen Anspruch wahrnehmen, gelten für diesen auch die entsprechenden Anforderungen. Ist hingegen klar, dass man für eine andere Person oder ein anderes Unternehmen handelt, ist man dessen „Erfüllungshilfe“ gem. § 278 BGB. Dieser haftet im Regelfall nicht selbst, sondern nur der „Geschäftsherr“, mag er Anbieter oder Auftraggeber sein.
Im Einzelfall kann die Wahrnehmung des Kunden allerdings dahin gehen, mit der handelnden Person statt dem dahinterstehenden Unternehmen in (vor-) vertragliche Beziehungen zu treten. Dabei kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an. Es sind daher schon umfängliche Beweisaufnahmen vor Gericht darüber geführt worden, ob der Kunde z. B. bei einem klassischen persönlichen Beratungsgespräch am Eingang zum Büro nur den Namen der betreffenden Person oder auch den Namen des hinter ihr stehenden Unternehmens auf dem Türschild wahrnehmen konnte/musste und welche Kopf- oder Fußzeilen entsprechende Beratungspräsentationen, ob gedruckt oder digital, hatten. Entsprechende Angaben – erst – im Rahmen der finalen Entscheidung („auf dem Zeichnungsschein“) für den Erwerb bzw. die Vermittlung eines entsprechenden Anlageproduktes sind dabei regelmäßig zu spät, weil nach der Rechtsprechung zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Vertragsbeziehung – im Sinne einer Vermittlung oder auch Beratung – regelmäßig bereits entstanden ist. Diese Angaben können zwar im Einzelfall auch indiziell für die vorherige Handhabung bei der Anbahnung sein; allein der Verweis darauf, dass dort in der Fußzeile Frau X oder Herr Y eindeutig als für das Unternehmen Z handelnd erkennbar gewesen wären, vermeidet die mögliche persönliche Haftung jedoch nicht.
Deshalb gilt für die Praxis die dringende Empfehlung, die entsprechende Stellung des vertriebsseitigen Ansprechpartners auf allen Kommunikationswegen deutlich herauszustellen, auch über die geforderten Pflichtangaben im Impressum o. ä. hinaus. Dies gilt auch dann, wenn man sich digitaler Kommunikationskanäle zur Kundenansprache bedient oder bei Kontakten über soziale Medien. Gerade hier besteht die besondere Gefahr, zunächst die entsprechende Person herauszustellen und dann erst beim näheren Kontakt die Stellung im Vertriebssystem zu „präzisieren“. Je später dies jedoch erfolgt, desto höher ist das Risiko.
Zweifel gehen hier stets zu Lasten des im Rahmen des Vertriebs Handelnden, wie auch ein jüngst entschiedener Fall gezeigt hat (BGH, Urteil vom 13.01.2022 – III ZR 210/20). Der dortige Vermittler handelte für eine UG (haftungsbeschränkt). Der Bundesgerichtshof hat aber trotzdem seine persönliche Haftung dem Grunde nach bejaht, weil er zwar das Handeln für die UG deutlich genug herausgestellt habe, aber deren Haftungsbeschränkung nicht.
Auch wenn das Handeln für eine andere Person bzw. ein anderes Unternehmen von Anfang und eindeutig klar ist, gibt es schließlich noch den Sonderfall der „Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens“, den die Rechtsprechung schon seit vielen Jahren bemüht. Dies lässt sich am besten am Beispiel des durchaus erkennbar für ein Vertriebsunternehmen tätigen Mitarbeiters beschreiben, der ein bestimmtes Produkt oder eine Produktauswahl seinem langjährigen Kunden präsentiert. Ist z. B. der Kunde am Ende des entsprechenden Prozesses immer noch schwankend in seiner Entscheidung, fallen oftmals zur letzten Überzeugung noch Argumente auf der persönlichen Ebene:
„Natürlich muss ich Ihnen Chancen und Risiken nach den Anforderungen meines Unternehmens (und der BaFin) darstellen und ich verstehe auch, dass Sie all dies eher verwirrt. Aber habe ich Ihnen schon einmal etwas empfohlen, dass Sie im Nachhinein nicht zufrieden gestellt hat?“
Oder:
„Wissen Sie, mir können Sie doch vertrauen. Ich habe dasselbe Produkt auch persönlich geprüft (bzw. für meine Mutter) und erworben, sodass sie sich wirklich hier keine Sorgen machen müssen.“
Diese und ähnliche Ansätze können – wenn sie nachweisbar sind – dazu führen, dass selbst der erkennbar nicht selbstständig bzw. für ein anderes Unternehmen Handelnde gegenüber dem Kunden ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis gem. § 311 Abs. 3 BGB begründet, für das er persönlich – ggf. neben seinem Geschäftsherrn – einstehen muss.
4. Mehrere Verpflichtete
Bei einer mehrstufig, „hierarchischen“ und dem Kunden offengelegte Beziehung, wie etwa zwischen dem angestellten Vertriebsmitarbeiter oder auch dem selbstständigen Berater oder Vermittler, der deutlich für ein anderes Vertriebsunternehmen oder unmittelbar den Produktgeber auftritt, trifft die Außenhaftung grundsätzlich nur das übergeordnete Unternehmen. Es kann dann allerdings im Einzelfall Regress nehmen, soweit im Innenverhältnis ein Verstoß gegen die Anforderungen und Vereinbarungen zwischen ihm und dem betroffenen Mitarbeiter vorlag. Selbst das Organ eines Unternehmens, wie etwa der Geschäftsführer einer GmbH, haftet bei Erfüllung dieser Voraussetzungen grundsätzlich nicht persönlich, sondern nur das von ihm repräsentierte Unternehmen. Das gilt sogar dann, wenn er zugleich Gesellschafter ist, vorausgesetzt, er hat das Handeln für das Unternehmen hinreichend deutlich gemacht (vgl. das vorstehende Beispiel).
Im Einzelfall kann sich aber auch das Umgekehrte ergeben: Legt z.B. das Vertriebsunternehmen Wert darauf, dass zwar im Außenauftritt gemeinsame Logos etc. verwendet werden, aber zugleich deutlich darauf hingewiesen wird, dass jeder Vertriebsmitarbeiter selbständig für sich handelt (was dann z.B. durch vorgeschriebene Zusätze in der Kommunikation mit dem Kunden sichergestellt werden soll) und wird dies in der Praxis gegenüber dem Kunden nicht hinreichend umgesetzt, haftet das übergeordnete Unternehmen gleichfalls, da der Kunde es als seinen Vertragspartner wahrgenommen hat und wahrnehmen durfte. Dass der betreffende Mitarbeiter hier in der Darstellung ggf. einen Fehler gemacht hat, kann dem Kunden nicht unmittelbar entgegengehalten werden. Vielmehr muss das Unternehmen dann ggf. die Außenhaftung akzeptieren, wird aber dann regelmäßig über Regress- bzw. Freistellungsansprüche gegen den betreffenden Mitarbeiter nachdenken, welcher den fehlerhaften Schein gesetzt hat.
Hat tatsächlich die Beteiligung mehrerer gleichrangiger Personen/Unternehmen zu der in Rede stehenden problematischen Anlageentscheidung geführt, kommen auch diese ggf. nebeneinander als Verantwortliche in Betracht. Die oft zu hörenden Grundregeln, dass nur derjenige hafte, der schließlich auch die Provision erhalten habe oder „als letzter am Kunden dran gewesen wäre“, gelten tatsächlich nicht. Selbst in den Fällen, in denen im laufenden Prozess der Kunde durch einen Konkurrenten „abgeworben“ wurde, der schließlich den Abschluss mit dem gleichen Produkt herbeigeführt hat, kann auch ein Aufklärungsverschulden des ersten Beraters oder Vermittlers noch ursächlich für die Anlageentscheidung gewesen sein. Deshalb tut auch derjenige, der im Einzelfall seinen Kunden im laufenden Beratungsprozess „verliert“ gut daran, nach Möglichkeit Inhalt und Umfang seiner abgebrochenen Tätigkeit sauber zu dokumentieren, um nachzuweisen, dass jedenfalls ihn kein berechtigter Vorwurf treffen kann. Ansonsten ist es ggf. auch in dieser Konstellation eine Frage des Innenausgleiches, ggf. aufgrund der Rechtsfigur der sog. Gesamtschuldnerschaft (vgl. § 426 BGB), wer im Innenverhältnis letztlich den Schaden zu tragen hat. Der Kunde kann die gleiche Kompensation zwar nicht doppelt verlangen, bei mehreren Verpflichteten aber grundsätzlich auswählen, wen er konkret in Anspruch nehmen möchte.
Ein Spezialfall stellt schließlich die sog. Auslagerung von Anbieterverpflichtungen auf den Vertrieb dar. Konstruktiv ist es denkbar, auch manche der originär dem Produktanbieter (und nicht dem Intermediär) obliegende Aufklärungs- und Informationspflichten auf den Vertrieb zu verlagern. Bei einigen derartigen Verpflichtungen sieht das Gesetz auch ohnehin ein Ineinandergreifen der beiden Pflichtenkreise vor, so z. B. bei dem Produktfreigabeverfahren nach § 80 Abs. 9 ff. WpHG und der Geeignetheitsprüfung, bei der sich der Gesetzgeber eine wechselseitige Informationspflicht zwischen Produktgeber und Vertrieb vorstellt.
Werden – wiederum für den Kunden erkennbar – konkret anbieterseitige Informationspflichten durch den Vertrieb lediglich „miterfüllt“, wird allein hierdurch theoretisch keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung im Außenverhältnis gegenüber dem Kunden begründet; konstruktiv kommt es bei Verletzung solcher Pflichten lediglich im Innenverhältnis zu denkbaren Regressansprüchen des Anbieters gegenüber dem Vertrieb.
In der Praxis es aber auch hier die Grenzziehung nicht immer einfach und eindeutig: Da die Rechtsprechung oftmals annimmt, dass der Vertrieb sich „natürlich“ im Rahmen seiner Tätigkeit auch der anbieterseitigen Informationen und Aufklärungshinweise einschließlich etwaiger dortiger Fehler bediene, führt eine Verwendung fehlerhafter Anbieterinformationen und/oder eine mangelhafte Erfüllung weiterer gegenüber dem Kunden insoweit zu erfüllender Verpflichtungen auch sehr häufig zu einer Eigenhaftung des Vertriebs. Im Bereich des KAGB ist dies sogar durch eine – wenn auch eingeschränkte – spezialgesetzliche „Prospekthaftung“ des Vertriebes manifestiert (vgl. § 306 Abs. 4 KAGB), die aber wiederum umgekehrt mit ihren dortigen Einschränkungen keine Sperrwirkung für die eigene Haftung des Vertriebs nach sich zieht, sondern zusätzlich zur Vertriebshaftung nach den allgemeinen Regeln gilt. Auch insoweit bleibt es also häufig dabei, dass der Vertrieb mit Blick auf den Kunden zumindest ebenfalls in der Verantwortung und Haftung steht und im Haftungsfalle auf Rückgriffsansprüche im Innenverhältnis angewiesen ist.
Allerdings ist dies in Auslagerungsfällen auch umgekehrt denkbar: Werden die entsprechenden Pflichten zulässigerweise ausgelagert und war der „Informations-Input“ des Produktgebers als solcher nicht fehlerhaft, kann er im Falle seiner (durch den Vertrieb „vermittelten“) unmittelbaren Haftung gegenüber dem Kunden wiederum den Vertrieb in Regress nehmen, wenn dieser (in seinem Auftrag) fehlerhaft agiert hat.
5. Fazit
Dem Kunden gegenüber haftet – vereinfacht ausgedrückt – nicht zwingend der tatsächlich für den Prozess Verantwortliche, sondern jeder, den der Kunde als verantwortlich wahrnimmt. Dabei können aufsichtsrechtliche oder durch die internen Vertriebsvereinbarungen bedingte Limitierungen oder auch Haftungsausschlüsse dem Kunden regelmäßig nicht entgegengehalten werden. Bei Überschreiten der aufsichtsrechtlich zulässigen Rolle greift im Gegenteil sogar eine Erleichterung für den anspruchsstellenden Kunden ein, der ggf. nur diesen grundsätzlichen Fehler vortragen und beweisen muss, ohne dass es auf den Nachweis einer inhaltlich spezifizierten mangelhaften Aufklärung oder Beratung ankommt.
Nach diesen Grundsätzen können auch mehrere Personen bzw. Unternehmen gegenüber dem Kunden zugleich verantwortlich sein, auch wenn sie zeitlich nacheinander, hierarchisch in gestufter Form oder gleichrangig nebeneinander in Bezug auf das gleiche Produkt ihre Tätigkeit entfaltet haben.
Um diese Risiken sachgerecht zu steuern, ist es unbedingt wichtig, den gesamten Prozess der Kundenbeziehung über die ohnehin schon geltenden Anforderungen an Pflichtangaben etc. hinaus konsequent daraufhin auszurichten, dem Kunden ein zutreffendes Bild über die Rolle zu vermitteln, welche sein Gegenüber tatsächlich ausüben will und berechtigter Weise ausüben darf. Wer hier – im Interesse des Vertriebserfolgs – in Fußstapfen tritt, die eigentlich „eine Nummer zu groß“ sind, muss sich im Problemfall des hierdurch provozierten Risikos bewusst sein. Zugleich sollten sauber strukturierte Vertriebsverträge das danach gewollte Auftreten gegenüber dem Kunden ebenso detailliert regeln, wie die Verantwortungszuweisung im Innenverhältnis, wenn einmal ein Problemfall eingetreten ist.
Professor Dr. Thomas Zacher, Rechtsanwalt bei Zacher und Partner Rechtsanwälte, schrieb diesen Artikel im Rahmen von "PROBERATER 2022"