Verbraucherschützer fordern intensivierte Verhaltensaufsicht über Lebensversicherungsvertrieb
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat den Entwurf „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ zur Konsultation gestellt. Der Verbraucherschutzverein Bund der Versicherten (BdV) unterstützt das Vorhaben der BaFin und hat eine Stellungnahme verfasst.
Der BdV sieht in dem Merkblatt viele positive Elemente – insbesondere die neuen Regelungen zur Bewertung des tatsächlichen Nutzens von Kapitallebensversicherungen für Verbraucher. „Wir bekommen den Eindruck, dass die BaFin endlich das tun will, was eine gute und effektive Aufsichtsbehörde ausmacht: den Markt aktiv vor verbraucherschädigendem Verhalten zu schützen“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke.
In seiner Stellungnahme moniert der BdV aber, dass der Entwurf noch viele Fragen aus Verbrauchersicht offenlässt. So wird beispielsweise die zu berücksichtigende Inflationsrate mit lediglich zwei Prozent jährlich angesetzt, was aus Sicht des BdV auch längerfristig als zu niedrig erscheint. Auch Koppelpunkte (Zusatzversicherungen wie Berufsunfähigkeit) werden nicht erwähnt, obwohl ihr Nutzen grundsätzlich infrage gestellt werden müsse. Zudem soll weiterhin die Kennziffer der Effektivkosten für Renditeprognosen verwendet werden, die laut BdV irreführend sei, solange die zugrunde liegenden Renditeannahmen nicht offengelegt werden.
Vor allem gebe der Entwurf keine Antworten darauf, wie eine „intensivierte Aufsicht" konkret von der BaFin umgesetzt werden soll und was bei Verstößen gegen die „wohlverhaltensaufsichtlichen" Anforderungen gegenüber den Lebensversicherern und den Vertrieben tatsächlich passieren soll. Sanktionsmöglichkeiten bis hin zu Produktinterventionen, das heißt Vertriebsverboten, sind gesetzlich vorhergesehen. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, sagt Rehmke.
Der Verbraucherschutzverein erhofft sich im Ergebnis, dass die Regelungen zu einer deutlich „intensivierten" Verhaltensaufsicht über Produktentwicklung, Markteinführung und laufenden Vertrieb von Lebensversicherungen führen werden. Das sei gesetzlich in dem sogenannten „Produktfreigabeverfahren" (gemäß IDD) sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene angelegt.
Währenddessen bezweifeln Anbieterseite und Vermittlerverbände, dass die Pläne der BaFin von der Bundesregierung unterstützt werden und fordern eine Intervention des Finanzministeriums. Allerdings werde auf EU-Ebene mittlerweile intensiv ein generelles Provisionsverbot diskutiert, weshalb BaFin-Exekutivdirektor Dr. Frank Grund das Merkblatt als letzte Chance begreife. „Wir erwarten, dass die BaFin von Regierungsseite volle Rückendeckung hat und noch mehr Biss entwickeln kann. Unsere Hinweise sollen unterstützen“, sagt Rehmke. (DFPA/JF1)
Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) ist eine unabhängige und gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation. Der Verein wurde 1982 gegründet und zählt mehr als 45.000 Mitglieder.