Finanzanlagenvermittlung: "Kommt das Provisionsverbot, wird das Produktmarketing zum Game Changer"
Ein EU-weites Provisionsverbot für die Anlageberatung wird in der Branche für möglich gehalten. Schon in diesem Frühjahr könnte die EU-Kommission einen entsprechenden Beschluss fassen. Sollte es dazu kommen, steht nach Meinung der Hamburger Beratungsgesellschaft Green Face Value das Beratungsgeschäft auf Basis von Bestandsprovisionen vor dem Aus. In Deutschland wären knapp 40.000 Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraph 34f Gewerbeordnung (GewO) betroffen.
„Falls das Provisionsverbot kommt, wäre das eine echte Zeitenwende für die Finanzbranche. Deshalb sollten sich Produktanbieter, Fondsgesellschaften und Banken darauf einstellen und bereits jetzt neue Konzepte für die Zeit ohne Provisionsberatung finden“, meint Dr. Baris Calisan, Geschäftsführer von Green Face Value - Sustainable Finance Marketing & Consulting.
Ein Provisionsverbot würde nach Überzeugung von Calisan sowohl viele Fondsgesellschaften, Versicherer und Banken empfindlich treffen, als auch die Mehrzahl an freien Vermittlern, Pools und Vertriebsgesellschaften, die ihr Geschäftsmodell auf die Höhe der Rückvergütung (Kickbacks) stützen. „Deshalb müssen die Produktgeber noch näher an ihre Kunden, aber auch an die Berater rücken und deutlicher als bisher für die produktspezifische Unterscheidbarkeit im Wettbewerb sorgen“, so Calisan.
Denn: „Mehr denn je wird es in der Kundenberatung darauf ankommen, dass Anbieter mit ihren Produkten eine eigene Identität und Haltung zeigen und sie zugleich die Berater dabei unterstützen, die Produktstory richtig zu erzählen.“ Das gelte umso mehr für nachhaltige und ESG-orientierte Finanzprodukte, da voraussichtlich ab April 2023 auch 34f-Vermittler bei der Beratung die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen müssen.
Fest stehe, dass sich der traditionelle Beratervertrieb im Falle eines Provisionsverbots grundlegend ändere. Dann werde wahrscheinlich ein Teil der Vermittler in die Honorarberatung wechseln oder den eigenen Kundenbestand verkaufen. Auch Banken und Sparkassen werden ihre stationären Beratungsangebote wohl spürbar herunterfahren. Allerdings bestehe die Gefahr, dass gerade Privatanleger dadurch um die Möglichkeit auf eine individuelle Beratung zur Altersabsicherung und Risikovorsorge gebracht werden.
Damit diese „Beratungslücke“ erst gar nicht entsteht, müssen nach Überzeugung von Calisan Fondsanbieter, Versicherungen und Banken rechtzeitig ihre Geschäftsmodelle anpassen. Und das bedeute, dass sie sich in ihrer Kundenkommunikation durch transparentes und glaubhaft informierendes Produktmarketing von den Mitbewerbern abgrenzen.
„Wenn es in der Finanzberatung keinen Anreiz mehr gibt, diejenigen Produkte zu vermitteln, die am meisten einbringen, besteht für Produktanbieter die Chance, durch die Kraft ihrer Angebote neue Kunden zu gewinnen, die sie durch die Provisionsberatung nicht erreichen können“, sagt Calisan. (DFPA/TH1)
Green Face Value - Sustainable Finance Marketing & Consulting ist eine Beratungsgesellschaft mit Sitz in Hamburg. Das Unternehmen berät Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Banken bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeits- und ESG-basierten Strategien.