Kapitalgesellschaften können Mitglied in Anlegerbeirat von Publikums-AIF werden
Mit Urteil vom 15. Juli 2020 (Aktenzeichen: 20 U 47/19) hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart festgestellt, dass eine Aktiengesellschaft (fakultativer) Anlegerbeirat in einem geschlossenen alternativen Investmentfonds (AIF) nach Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sein darf. Hintergrund der Entscheidung war, dass eine AG als Gesellschafterin eines im Jahr 2015 aufgelegten geschlossenen AIF auf einer Gesellschafterversammlung zum (fakultativen) Beirat gewählt wurde. Dabei setzte sich die AG gegen zwei natürliche Personen durch. Die Geschäftsführung des Fonds zweifelte die Wirksamkeit der Wahl an. Die AG, vertreten durch die auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei Mattil & Kollegen, klagte auf Feststellung der Wirksamkeit.
Die Geschäftsführung des Fonds begründete ihre Zweifel an der Wirksamkeit der Wahl damit, dass aus ihrer Sicht nur eine natürliche Person Anlegerbeirat in einem Fonds werden könne. Darüber hinaus gäbe es für eine AG im Beirat des Fonds kein Bedürfnis. Die Fondsgesellschaft sei ausreichend geschützt, da sie durch eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) administriert werde, die wiederum einen Beirat haben könne.
Während die erste Instanz, das Landgericht (LG) Tübingen, die Klage mit Urteil vom 16. September 2019 (Aktenzeichen: 20 O 71/18) abwies, hatte die Berufung der AG beim OLG Stuttgart Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig, so dass das Urteil rechtskräftig ist. Die AG ist damit Anlegerbeirat im Fonds.
Laut Ralph Veil, Rechtsanwalt bei Mattil & Kollegen, hat die Entscheidung große praktische Bedeutung. Denn viele Zweit-Investoren, die sich in Fondsgesellschaften einkaufen, wie beispielsweise Zweitmarktfonds, erwerben die Beteiligungen mit einer Kapitalgesellschaft, sodass viele Fonds heute nicht nur natürliche Personen in ihrer Anlegerschaft haben, sondern auch Kapitalgesellschaften. Nach der Entscheidung des OLG Stuttgart können nun auch Kapitalgesellschaften Mitglied in einem fakultativen Anlegerbeirat werden. Die Entscheidung erging zwar zu einer Fondsgesellschaft nach KAGB, sei aber auch auf Alt-Fonds anwendbar.
Veil begrüßt das Ergebnis und hält es für plausibel. Schließlich sei seit Jahrzehnten anerkannt, dass auch juristische Personen als vollhaftende Gesellschafter Geschäftsführer einer Fondsgesellschaft sein können (GmbH & Co KG). Warum demgegenüber eine juristische Person nicht auch Mitglied in einem fakultativen Beirat, der deutlich weniger Rechte als eine vollhaftende, geschäftsführende Gesellschafterin hat sei nicht überzeugend. Allerdings kann die Satzung auch Gegenteiliges regeln und juristische Personen von der Mitgliedschaft in einem Anlegerbeirat ausschließen.
Interessant ist laut Veil in diesem Zusammenhang, dass eine Investment-KG im Falle der Liquidation nicht durch die KVG vertreten werden muss, sondern dass sich die KG in diesem Fall durch ihre Komplementärin vertreten lassen kann. Beispiel aktuell: die in Liquidation befindlichen venture plus-Fonds in Liquidation, die bis vor Kurzem durch die Xolaris KVG vertreten waren und nunmehr durch die persönlich haftende Gesellschafterin vertreten werden. Auch dies sei ein Beispiel dafür, wie das alt hergebrachte Handelsrecht mit dem modernen aufsichtsrechtlichen KAGB verwoben ist. (DFPA/JF1)
Quelle: Pressemitteilung Mattil & Kollegen
Die Kanzlei Mattil & Kollegen, Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, mit Sitz in München, ist seit mehr als 20 Jahren im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig.