OLG Stuttgart gibt Klage gegen Kündigung von Bausparverträgen erneut statt
Der unter anderem für Bankrecht zuständige 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart hat erneut einer Bausparerin Recht gegeben, die sich gegen die Kündigung ihrer Bausparverträge wehrt (Aktenzeichen: 9 U 230/15). Die Klägerin schloss 1999 zwei Bausparverträge über 160.000 D-Mark und 40.000 D-Mark ab. Diese wurden im Juli 2001 zuteilungsreif; die Klägerin nahm jedoch kein Bauspardarlehen in Anspruch. Der Zinssatz für das Bausparguthaben betrug jeweils 2,5 Prozent per annum und konnte bei Verzicht auf das Bauspardarlehen oder Wahl eines höher verzinslichen Bauspardarlehens um einen Bonuszins von 2,0 Prozent per annum. erhöht werden. Beide Verträge sind nur zu etwa Dreiviertel angespart. Im Januar 2015, also mehr als 13 Jahre nach Zuteilungsreife, kündigte die Bausparkasse die Bausparverträge.
Der Fall weicht gegenüber dem am 30. März 2016 von demselben Senat entschiedenen Fall (Aktenzeichen: 9 U 171/15) insoweit ab, als die Bausparerin nach den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB), die diesen Verträgen zugrunde liegen, nur bis zum Erreichen eines Mindestsparguthabens von 50 Prozent der Bausparsumme zur Ansparung verpflichtet ist (DFPA berichtete).
Der Senat hielt die Kündigungen der Bausparkasse auch in diesem Fall für unberechtigt. Diese könne sich nicht auf die Vorschrift des § 489 Absatz 1 Nr. 2 BGB berufen, wonach ein Darlehensnehmer das Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen könne. Die Vorschrift sei auf Bausparverträge in der so genannten Ansparphase, bei denen der Bausparer der Bausparkasse ein Darlehen gewähre, nicht anwendbar. Das Gesetz bezwecke den Schutz von Darlehensnehmern, die dem Zinsbestimmungsrecht der Darlehensgeber ausgesetzt seien. Dieser Schutzzweck treffe auf das so genannte Passivgeschäft der Bausparkassen nicht zu. Diese seien als Darlehensnehmer in der Ansparphase nicht schutzbedürftig, weil sie als gewerbliche Kreditinstitute die Zinssätze und die maximale Laufzeit der Verträge in ihren ABB selbst bestimmten. Sie hätten es bei der Zinsfestlegung versäumt, durch geeignete Bedingungen eine unerwünscht lange Laufzeit auszuschließen. Das daher freiwillig übernommene Zinsrisiko könne nicht unter Berufung auf gesetzliche Kündigungsvorschriften auf die Bausparer abgewälzt werden.
Die Revision zum Bundesgerichtshof ließ der Senat zu, weil die Frage der Anwendung des § 489 Absatz 1 Nr. 2 BGB auf zuteilungsreife Bausparverträge grundsätzliche Bedeutung hat. (JF1)
Quelle: Pressemitteilung OLG Stuttgart