Versicherungsombudsmann: 15,7 Prozent weniger Beschwerden im Jahr 2022

Der Ombudsmann für Versicherungen, Dr. h. c. Wilhelm Schluckebier, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, stellte am 16. Mai 2023 in Berlin den Jahresbericht 2022 vor. Die als selbstständiger Verein organisierte Verbraucherschlichtungsstelle behandelt seit über 20 Jahren Beschwerden aus allen Versicherungssparten, ausgenommen solche aus der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung.

Im Jahr 2022 erreichten die Schlichtungsstelle insgesamt 15.907 Beschwerden, wovon 11.898 zulässig waren. Damit nahm die Zahl der zulässigen Beschwerden gegenüber dem Jahr 2021 um 15,7 Prozent ab. Die durchschnittliche Verfahrensdauer – gerechnet ab Eingang der Beschwerde – konnte weiter auf 70,1 Tage verkürzt werden. Es sei zu beobachten, dass auch im Jahr 2022 die Versicherungsunternehmen bereit waren, Anregungen des Ombudsmanns konstruktiv aufzugreifen und im Zweifel eine schnelle Einigung im Schlichtungsverfahren einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung vorzuziehen, so Schluckebier.

In der Lebensversicherung lag erneut ein Schwerpunkt bei den Fällen des Widerrufs von Vertragserklärungen mit dem Ziel der Rückabwicklung der Verträge. Voraussetzung dafür ist ein Fehler in der Belehrung über das Widerspruchsrecht oder ein Fehlen von Pflichtinformationen. Nach der Rechtsprechung führt das dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt wird und das Widerspruchsrecht fortbesteht („ewiges Widerspruchsrecht“). In diesem Zusammenhang ergaben sich vor allem zwei Problemfelder. Erstens stellte sich häufig die Frage, ob es auch geringfügige, rechtlich unerhebliche Belehrungsfehler gibt, und zweitens war zumeist umstritten, unter welchen Umständen eine Verwirkung des Widerspruchsrechts angenommen werden kann. Die Versicherer beriefen sich in solchen Fällen oft darauf, dass ein Versicherungsnehmer durch sein Verhalten in vertrauensbildender Weise zu erkennen gegeben habe, an dem Vertrag festhalten zu wollen. Dies wurde beispielsweise geltend gemacht, wenn zuvor ein Versicherungsnehmer den Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherheit genutzt hatte. Die Rechtsprechung zu solchen mit Wertungen verbundenen Fragen ist uneinheitlich und differenziert. Eine rechtssichere Beurteilung ist deshalb in vielen Schlichtungsfällen nicht möglich. Hier kann allerdings ein Schlichtungsvorschlag unterbreitet werden, der die etwaigen Prozessrisiken gewichtet und berücksichtigt.

Weiter teilte Schluckebier mit, dass in der Lebens- und Rentenversicherung die in den jährlichen Standmitteilungen aufgeführten Kosten ebenso wie auch die prognostizierten Bewertungsreserven oft zu Irritationen bei den Beschwerdeführern geführt haben. In den Schlichtungsverfahren wurde – zum Teil unter Einschluss einer mathematischen Prüfung – abgeglichen, ob die berechneten Kosten mit den vertraglichen Regelungen in Einklang stehen. Insgesamt sei in diesem Zusammenhang feststellbar, dass das Bewusstsein der Versicherungsnehmer für die Höhe der Vertragskosten und deren Berechnung stark zugenommen habe. (DFPA/JF1)

Der Versicherungsombudsmann e. V. ist eine unabhängige und für den Verbraucher kostenfrei arbeitende Schlichtungsstelle mit Sitz in Berlin. Kunden der angeschlossenen Versicherungsunternehmen können sich an ihn als eine neutrale und unabhängige Stelle wenden. Mitglieder sind die angeschlossenen Versicherungsunternehmen und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV).

www.versicherungsombudsmann.de

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