"Vertrauen in die Finanzmärkte ist der Schlüssel zum Erfolg der Kapitalmarktunion"
Eine Europäische Union mit reduzierter Fragmentierung der nationalen Kapitalmärkte, die zudem Anlegerschutz fördert, könne Geldanlage attraktiver machen und den europäischen Finanzsektor als Einheit stärken. So Steven Maijoor, Chair of the European Securities and Markets Authority (ESMA), beim regulatorischen Symposium im Rahmen des MiFID-Kongress der Börse Stuttgart. Nur so lasse sich das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte wiederherstellen und damit ihr Engagement am Kapitalmarkt steigern. „Ziel soll dabei nicht sein, den Investoren das Risiko abzunehmen, sondern die Qualität der Vertriebskanäle zu erhöhen“, so Maijoor.
Auf dem 10. MiFID-Kongress der Börse Stuttgart diskutieren rund 300 Experten aus Finanzbranche, Aufsicht und Politik über aktuelle europäische Regulierungsvorhaben. Einhellig begrüßten die Experten das Vorhaben, Europa durch Regulierung als eine wirtschaftliche Einheit zu stärken: „Die Europäische Kapitalmarktunion kann zur Erfolgsgeschichte werden, wenn sie die klassische Kreditversorgung durch Banken ergänzt und Unternehmen weitere Finanzierungsquellen erschließt. Dann kann sie zu zusätzlichen Investitionen und Wachstumsimpulsen führen“, erklärte Georg Baur, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).
Insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Brexit sei es sinnvoll, den europäischen Kapitalmarkt zu stärken, so die Experten. „Die Brexit-Entscheidung wird ihre Sprengkraft erst noch entfalten“, erläuterte Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter des Bereichs Research der Landesbank Baden-Württemberg. „Das schwächere Pfund, mögliche Zugeständnisse an Großunternehmen sowie eine spürbare Investitionszurückhaltung lassen die Konsequenzen erahnen. Wir sind skeptisch und erwarten gesamtwirtschaftlich herausfordernde Zeiten in Europa.“
Andererseits verwiesen einige Experten auch auf die Gefahren einer zu hohen Regulierungsintensität hin: „Wir brauchen eine angemessene Regulierung, die den Anleger mündiger und entscheidungsfähiger macht“, meinte Dr. Franz-Josef Leven, Stellvertretender Geschäftsführer Deutsches Aktieninstitut (DAI). Aus diesem Grund plädierte Leven für mehr ökonomische Finanzbildung, unter anderem bereits in Schulen.
Dr. Gerhard Schick, Finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, stimmte ihm zwar in dieser Hinsicht zu: „Wenn ein Kunde versteht, was er kauft, dann soll er über seine Investments frei entscheiden können.“ Jedoch sieht Schick die Politik in der Pflicht, bei komplexen Produkten genauer hinzuschauen. Deshalb begrüßte er beispielsweise das geplante Verbot der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für Bonitätsanleihen. Dem widersprach Hartmut Knüppel, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV): „Wir haben bisher von keinem einzigen Fall gehört, bei dem Privatanleger mit Bonitätsanleihen in den vergangenen Jahren Verluste erlitten hätten.“
Die neue PRIIPs Verordnung sei ein gutes Beispiel dafür, dass Regulierung den Bedürfnissen der Anleger gerecht werden kann: Sie sei sinnvoll, um Anlegern nützliche Informationen zu Kosten und Risiken für ihre Anlageentscheidungen an die Hand zu geben. Die Politik müsse den Anleger mit dem richtigen Maß an standardisierten Informationen unterstützen und diesen Weg konsequent weiterentwickeln, so Prof. Dr. Lutz Johanning, Inhaber Lehrstuhl für Empirische Kapitalmarktforschung, WHU - Otto Beisheim School of Management.
Quelle: Pressemitteilung Börse Stuttgart
Die Börse Stuttgart ist ein Börsenplatz für Privatanleger. Anleger können Aktien, verbriefte Derivate, Anleihen, Fonds und Genussscheine handeln. Mit durchschnittlich rund 35 Prozent des Orderbuchumsatzes ist die Börse Stuttgart der führende deutsche Handelsplatz im intermediärgestützten Börsenhandel. (JF1)