Wertpapierauftrag ohne Beratung: Discount-Broker trifft Risiko-Aufklärungspflicht
Das Landgericht (LG) Itzehoe hat mit Urteil vom 22. März 2016 (Aktenzeichen: 7 O 233/13) entschieden, dass ein Discount-Broker Anleger warnen muss, wenn ein Finanzprodukt nicht in seine Risikoklasse passt. Die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) haben nicht nur rein aufsichtsrechtlichen Charakter, sondern begründen in bestimmten Fällen für eine Bank eine Nebenpflicht im Sinne des § 241 Absatz 2 BGB zur Risiko-Aufklärung von Kunden, die keine Beratung in Anspruch genommen haben (sogenannte „execution-only“).
Der Anleger (Kläger) hatte 1999 bei der Comdirect Bank ein Depot im Rahmen des sogenannten Discount-Brokerage eröffnet und war dabei zu seinen Anlagekenntnissen und seiner Risikoeinstufung befragt und aufgrund dieser Angaben in die zweithöchste Risikoklasse „E“ (Aktien, Aktienfonds) eingestuft worden. In den Jahren 2010 und 2011 erteilte er der Bank mehrfach Aufträge zum Kauf und Verkauf eines Terminkontrakts („LBB Bund Future Bär Ind. O.E.“) und verlor dabei rund 19.000 Euro. Er verlangte daraufhin diese Summe von der Bank als Schadensersatz, da ihm eine bestimmte hochspekulative Eigenschaft dieses Finanzderivats nicht klar gewesen sei und die Bank ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass es sich um ein Produkt der höchsten Risikostufe „F“ (zum Beispiel Optionsscheine, sonstige Börsentermingeschäfte) gehandelt habe.
Die Bank argumentierte, sie habe das Produkt aufgrund der Informationen, die sie von der Emittentin erhalten habe, in die Risikoklasse „E“ eingestuft. So hatte die Emittentin das Wertpapier als Inhaberschuldverschreibung bezeichnet, und dies habe die Bank übernehmen dürfen, ohne diese Eingruppierung zu hinterfragen. Das Produkt sei nicht in die Kenntnisstufe „F“ einzugruppieren. Bei dieser Bewertung ging die Bank eigenen Angaben zufolge nach ihrem üblichen Schema zur Ermittlung der Risikoklassen von Wertpapieren vor. Und: Selbst wenn es der Kenntnisstufe „F“ zuzurechnen wäre, käme ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht, da es sich bei den §§ 31 ff. WpHG lediglich um aufsichtsrechtliche Bestimmungen handele. Eine unzureichende Aufklärung des Anlegers habe nicht vorgelegen, so die Bank.
Das LG Itzehoe folgte dieser Argumentation nicht und entschied zugunsten des Anlegers. Die Bank hätte sich vor der Ausführung der Wertpapieraufträge zwar auf die Angaben der Emittentin verlassen dürfen und sei zu einer gesonderten Prüfung nicht verpflichtet gewesen. Im vorliegenden Fall aber habe die Bank nicht einfach nur Informationen der Emittentin weitergegeben, sondern diese dazu verwendet, um das Wertpapier in eine Risikoklasse einzustufen. Aufgrund eines vom Gericht eingeholten Sachverständigen-Gutachtens sei das Wertpapier aber in Risikoklasse „F“ einzuordnen. Es habe somit nicht in das Anleger- und Risikoprofil des Klägers gepasst. Die fehlerhafte Einstufung durch die Bank – und in deren Folge das Unterlassen eines Warnhinweises an den Kunden – begründe einen Schadensersatzanspruch.
Quelle: Pressemitteilung Kälberer & Tittel
Rechtsanwälte Kälberer & Tittel Partnerschaftsgesellschaft ist eine Kanzlei für Kapitalanlagerecht, Bank- und Börsenrecht sowie Versicherungsrecht mit Sitz in Berlin. (JF1)