ELTIF - Der Game Changer der europäischen Sachwerte
Seit 2015 gibt es sie schon, die European Long Termin Investment Funds – kurz: ELTIF. Bislang spielten sie am Kapitalmarkt eher ein Schattendasein. Jetzt haucht ihnen die „Verordnung (EU) 2023/606“ neues Leben ein und macht ELTIF gesamteuropäisch attraktiv für Privatanleger. Am 10. Januar dieses Jahres trat die neue EU-Verordnung in Kraft und öffnete damit Asset Managern, Anlagevermittlern und Anlegern einen neuen Markt.
Was ist eigentlich ein ELTIF, ein „europäischer Langfrist-Investmentfonds“? Der luxemburgische Investmentfonds-Verband Association of the Luxembourg Fund Industry (ALFI) definiert ELTIF als „eine Anlageform für langfristige Investments in die Realwirtschaft, vorrangig in Sektoren wie Energie, Transport und Infrastruktur, um beizutragen, die Ziele des European Green Deals und damit eines nachhaltigen Wachstums der europäischen Wirtschaft zu erreichen“.
Durch die neue ELTIF-Verordnung, allgemein kurz als „ELTIF 2.0“ bezeichnet, wird durch den erleichterten Zugang von Privatkunden zu ELTIF ein regelrechter Booster für diese Anlageform erwartet: Grund genug für den Bundesverband Alternative Investments (BAI), Bonn, die neuen Strukturen und Möglichkeiten von „ELTIF 2.0“ zusammen mit Investmentexperten genauer zu erörtern.
Arne Bolch, Rechtsanwalt und National Partner bei der international tätigen Anwaltskanzlei Dechert LLP in Luxemburg, stellte die wichtigsten Veränderungen bei den ELTIF der neuen Generation heraus: Kein Mindestanlagebetrag und Eignungsprüfung für Privatanleger, vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten trotz langfristig laufenden ELTIF, mehr Flexibilität in der Anlagestrategie der ELTIF. Vielgestaltig sind die Assetklassen, in die ELTIF anlegen können – in Immobilien, andere „real assets“ wie beispielsweise Schiffe oder Flugzeuge, aber auch in Infrastruktur und Finanzierungsfonds wie auch in Private Equity.
Die international tätigen Asset Manager konzentrieren sich derzeit überwiegend auf die Assetklasse Private Equity. So der US-Vermögensverwalter BlackRock mit seinem „BlackRock Private Equity ELTIF“ und dem „BlackRock Future Generations Private Equity Opportunities ELTIF“. Und Schroder Investment Management aus London mit dem „Schroders Capital – Private Equity ELTIF“ oder der US-Vermögensverwalter Neuberger Berman mit dem „NBA-Direct Private Equity Fund 2023“. Um nur einige zu nennen. Dagegen investiert der erst kürzlich gestartete „UniPrivatmarkt Infrastrukur ELTIF“ der deutschen Union Investment in den Transport-, Versorgungs- und Kommunikationsbereich. Amundi Asset Management („PI Solutions – Amundi ELTIF Leveraged Loans Europe“) und der Asset Manager Muzinich („Muzinich Firstlight Middle Market ELTIF SICAV“) investieren als Finanzierungsfonds in „Private Debt“. Der aktuelle ELTIF von Aquila Capital („AC One Planet ELTIF“) und der mit einem Fondsvolumen von 1,3 Milliarden Euro derzeit wohl größte in Deutschland im Vertrieb befindliche ELTIF „klimaVest ELTIF“ von CommerzReal, dem Asset Manager der Commerzbank-Gruppe, investieren in nachhaltige Technologien wie Wind- und Solaranlagen.
Noch sei das Absatzvolumen der ELTIF in Deutschland geringer als das der Publikums-AIF, stellte Jamal El Mallouki fest, Mitgründer und Gesellschafter von Portagon, der digitalen Distributionsplattform mit digitaler Zeichnungs- und Beratungsstrecke. Die Abwicklung mit Vertriebspartnern stelle Asset Manager noch vor große Herausforderungen, so unter anderem durch die Einschaltung von Clearing-Stellen.
Rund drei Viertel der aktuellen ELTIF sind durch die luxemburgische Aufsichtsbehörde Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) zugelassen. Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wurden bislang noch keine ELTIF zugelassen. Das sei aber nur eine Frage der Zeit, meinte Dr. David Jansen, Rechtsanwalt und Partner der international tätigen Anwaltskanzlei Willkie Farr & Gallagher LLP, im BAI-Gespräch: Deutsche Anbieter von geschlossenen alternativen Investmentfonds (AIF) prüfen bereits die künftige Auflage von ELTIF (siehe die Übersicht auf Seite 4 dieser EXXECNEWS-Ausgabe). Eine Besonderheit: Die BaFin folgert aus dem Wortlaut der ELTIF-Verordnung das Erfordernis eines „Vor-ELTIF“ in Form eines offenen oder geschlossenen Spezial-AIF. Es muss bestätigt werden, dass die Einreichung seiner Anlagebedingungen allein dem Ziel der späteren Zulassung als ELTIF dient.
In den vergangenen Jahren dümpelte das Investmentvolumen von ELTIF bei gerade so vier bis sechs Milliarden Euro, so die ALFI. Die internationale Alternative Investment Management Association (AIMA) schätzt aber, dass das Vermögen in ELTIF innerhalb von fünf Jahren die Marke von 100 Milliarden Euro überschreiten könnte. Scope Fund Analysis ist nicht ganz so optimistisch wie die AIMA und erwartet gleichwohl bis 2028 ein platziertes Volumen von 35 bis 50 Milliarden Euro. Gemessen an den rund 1,3 Billionen Euro, die derzeit in Deutschland in offenen Publikumsfonds angelegt sind, könnte das ELTIF-Potenzial über die Zeit sogar bis auf 260 Milliarden Euro steigen, meint Christian Humlach, Head Wholesale Client Advisory DACH bei Aquila Capital (siehe das auf dieser Seite nachfolgende Interview). (LJH)
Der Beitrag erschien zuerst in EXXECNEWS Ausgabe 03/2024.