Erste deutsche Norm für die Finanzdienstleistung vorgestellt

Im Beuth Verlag ist die DIN 77230 zur Basisfinanzanalyse von Privathaushalten veröffentlicht worden. Finanzberater können künftig Verbrauchern auf Grundlage einer objektiven Finanzanalyse nach DIN 77230 ausschließlich am individuellen Bedarf ausgerichtete Empfehlungen geben. Verbraucher wiederum haben die Sicherheit, dass das Ergebnis einer solchen Analyse immer vergleichbar ist, egal welcher Berater diese vorgenommen hat. Vertreter von Banken, Versicherungen, Finanzberatungsunternehmen, Prozessentwicklern, aus der Wissenschaft und von Verbraucherseite hatten die Norm gemeinsam erarbeitet.
Am 5. Februar 2019 stellte das Deutsche Institut für Normung (DIN) in Berlin die DIN 77230 in Berlin vor. Sie beschreibt einen standardisierten Prozess für die Erfassung und Bewertung der finanziellen Situation von Privathaushalten in den Bereichen Sach- und Vermögensrisiken, Vorsorge sowie Vermögensplanung. Vermittler können bei ihren Beratungsgesprächen somit auf einen anerkannten Analysestandard aufsetzen. Die Analyse ist dabei nicht Teil der Beratung, sondern die Grundlage dafür: Sie legt fest, welche Daten Vermittler für eine Basis-Finanzanalyse von Privathaushalten erheben sollten und wie sie die individuellen Risiken und Notwendigkeiten der Haushalte identifizieren. Außerdem gibt sie Auskunft darüber, wie die Orientierungswerte zu berechnen sind, an denen sich die Lösungsansätze ausrichten sollen, und wie die Ergebnisse der Analyse darzustellen sind. Dazu gehören eine Vermögensbilanz, eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie ein Soll-Ist-Abgleich bei Absicherung, Vorsorge und Vermögensplanung. Dabei differenziert die Norm die individuellen Finanzthemen in den drei Bedarfsstufen Sicherung des finanziellen Grundbedarfs, Erhaltung des Lebensstandards und Verbesserung des Lebensstandards.
Dr. Klaus Möller, Initiator und Obmann des Normausschusses, der die DIN 77230 erarbeitet hat, zeigt sich erfreut über den erfolgreichen Abschluss des Normungsprojektes: „Die Rückmeldungen aus der Branche waren bereits im Entwurfsstadium der DIN 77230 sehr positiv. Unserer Erfahrung nach schätzen es viele Verbraucher, wenn objektiv und transparent nach DIN-Norm analysiert wird. Das trägt zu einem guten Vertrauensverhältnis zum Vermittler bei und unterstützt ihn auf diese Weise bei seiner Arbeit.“ Möller lobte insbesondere den Willen zum Konsens einer Branche, die traditionell eher auf Abgrenzung bedacht sei. Alle im Ausschuss vertretenen Unternehmen – vom globalen Versicherungskonzern bis zur regionalen Volksbank – hätten im Zuge des Normungsprozesses Abstriche bei ihren Geschäftsmodellen hingenommen, um die angestrebte objektive Verbesserung des Beratungsprozesses zu erreichen.
Ebenfalls erfreut über die Verabschiedung der DIN 77230 zeigte sich Dr. Erich Paetz, Referatsleiter Verbraucherpolitik im Bereich Finanzdienstleistungen im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Vor rund zehn Jahren sei ein in dieselbe Richtung zielender Vorschlag des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Zuge der „Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen“ von der deutschen Finanzwirtschaft noch abgelehnt worden. Paetz geht davon aus, dass die Anwendung der DIN-Norm den Verbraucherschutz verbessern und die Rechtssicherheit erhöhen werde, ohne dass die darin normierten neuen Anforderungen an den Beratungsprozess gesetzlich normiert werden müssten.
Im Expertenkreis bei DIN ist bereits das nächste Normvorhaben für die Finanz- und Versicherungsbranche in Arbeit: „Finanz- und Risikoanalyse für Freiberufler, Gewebetreibende, Selbstständige und KMUs“.
Der Beitrag ist zuerst erschienen in EXXECNEWS Ausgabe 05/2019.