Sollte es eine verpflichtende betriebliche Altersversorgung geben?
Sollen Beschäftigte mit ihrem Arbeitsvertrag zwangsweise auch eine betriebliche Altersversorgung abschließen? Ist dieser Automatismus sinnvoll? Ja, findet Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Alterseinkünfte sollten damit in der Breite verbessert werden. Frank-Henning Florian von der R+V Lebensversicherung hält dagegen: Zwang und Misstrauen seien schlechte Ratgeber bei der Altersvorsorge. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) lässt die beiden Experten zu Wort kommen.
Wagner: „Mit den von Walter Riester und Bert Rürup angestoßenen Reformen der Rentenversicherung wurde die freiwillige Altersvorsorge in eine neue Rolle gedrängt: Sie bessert nicht mehr eine auskömmliche gesetzliche Rente auf. Vielmehr ist die private und betriebliche Vorsorge zum unmittelbaren Bestandteil der Alterssicherung geworden, denn das gesetzliche Rentenniveau wird gezielt abgesenkt.
Konsequent wäre die verpflichtende private Vorsorge gewesen. So aber muss man heute feststellen, dass die private Riester-Rente - trotz staatlicher Förderung - weit von einer hundertprozentigen Abdeckung entfernt ist. Genau dies unterstellt jedoch die gesetzliche Rentenberechnungsformel. Die Situation wird sich kaum ändern. Keiner der Akteure in der Sozialpolitik tritt derzeit für die Einführung einer obligatorischen Riester-Rente ein. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass die Rentenformel erneut geändert und so das Niveau der gesetzlichen Rente erhöht wird. Damit bleibt nur die betriebliche Altersversorgung (bAV) als breit wirkendes Instrument zur Verbesserung der Einkünfte im Alter.“
Florian: „Misstrauen und Zwang sind schlechte Ratgeber. Mit einer Pflicht zur betrieblichen Altersversorgung würde der Staat seinen Bürgern das Misstrauen aussprechen, nicht in der Lage zu sein, vernünftige Entscheidungen für die eigene Vorsorge im Alter treffen zu können. Zugleich würde er vorschreiben, welche Vorsorgeform sie zu nutzen haben. Wer ein Obligatorium will, muss erklären, welche Vorteile dies bringen soll. Die Nachteile sind jedenfalls groß. Zwang bekämpft das `Nicht-Wollen´. Liegt das Problem aber im `Nicht-Können´, also in zu geringer Vorsorgefähigkeit, ist Zwang sinnlos und vernichtet sogar Existenzen.“
Quelle: Mitteilung GDV
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherer in Deutschland. In dem Verband sind rund 460 Mitgliedsunternehmen mit 427 Millionen Versicherungsverträgen und einem Kapitalanlagebestand von etwa 1,45 Billionen Euro zusammengeschlossen. (TH1)