Turbulenzen bei deutschen Lebensversicherern
Nicht abzusehen ist ein Ende der Krise deutscher Lebensversicherer. Die anhaltenden Niedrigzinsen werden den Konzernen auch in den kommenden Jahren das Leben schwer machen, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Ratingagentur Moody’s, die EXXECNEWS in der am 25. April erschienenen Ausgabe 9 aufgreift.
Laut Moody’s-Experten dürfte der Verkauf von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen auf dem Niveau von 2015 verharren - die neuen Vertragsformen ohne den klassischen Garantiezins, die etwa die Versicherer Allianz und AXA anbieten, könnten die Rückgänge im klassischen Geschäft nicht komplett auffangen. Zwar seien das in diesem Jahr für Deutschland erwartete Wirtschaftswachstum und die niedrige Arbeitslosigkeit positiv für die Versicherer - das Niedrigzinsumfeld werde diese Effekte jedoch laut Moody‘s zunichtemachen und die Gewinne der Lebensversicherer weiter schmälern. Auch die Ratingagentur Assekurata sieht die Notwendigkeit eines Umdenkens der Konzerne: „In Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Niedrigzinsumfeld sieht Assekurata die Lebensversicherer derzeit vor der Herausforderung, das eigene Geschäftsmodell auf eine langfristig verlässliche, finanzierbare und glaubwürdige Basis zu stellen“, so sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse von Assekurata, auf Anfrage von EXXECNEWS. So beurteilt die Ratingagentur Fitch den Ausblick auf den kompletten deutschen Lebensversicherungsmarkt als „negativ“. Es spiegelten sich deutlich die ungünstigen Vorzeichen für die Branche wider. Für die großen Versicherer allerdings, die über ein Rating von Fitch verfügen - darunter Allianz, AXA, Cosmos und Generali – steht der Ausblick für die nächsten zwölf bis 18 Monate laut Dr. Stephan Kalb, Teamleiter der deutschen Versicherungsanalyse von Fitch, auf „stabil“. Eine Einschätzung, die auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) teilt. Der Verband weist auf Nachfrage darauf hin, dass verschiedene Ratingagenturen und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wiederholt bestätigt haben, dass die Branche mittelfristig stabil ist. Zudem hätten die Lebensversicherer mit der sogenannten Zinszusatzreserve hohe zusätzliche Rücklagen für ihre Garantiezusagen aufgebaut – mittlerweile beläuft sich diese laut GDV auf 32 Milliarden Euro.
Ein Umbruch der Branche sei trotzdem nicht zu vermeiden. Denn für den Abschluss einer Lebensversicherung fehle den Vertretern das ausschlaggebende Argument des profitablen Garantiezinses, viele der jüngst hinzugekommenen Produkte hingegen seien den Kunden schwer zu erklären. Doch wie lösen die Konzerne dieses Dilemma? „Mit Blick auf ihre strategische Produktausrichtung streben viele Anbieter danach, die Zinsabhängigkeit und damit den Eigenmittelanspruch des Produktportfolios zu reduzieren und die eigene Risikotragfähigkeit im Gegenzug zu erhöhen. Entsprechenden Markterfolg vorausgesetzt, kann sich dies langfristig bonitätsfördernd auswirken. Hierfür kommen etwa biometrische Produkte in Betracht, um über einen möglichst ausgewogenen Risikoergebnisbeitrag die Ertragslage langfristig zu stabilisieren“, sagt Heermann. Im Bereich der Altersvorsorge richten die Anbieter ihr Hauptaugenmerk laut Heermann auf neue Produkte mit modifizierten Kapitalgarantien im Sinne einer nicht-traditionellen und kapitaleffizienten Gestaltung.
Auch Fitch erwartet, dass die Lebensversicherer stärkeren Fokus auf hybride Lebensversicherungsprodukte mit geringeren Kapitalanforderungen sowie fondgebundene Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen legen werden. „Klassische Lebensversicherungen mit Garantien werden von den meisten Anbietern noch angeboten, aber nicht mehr aktiv beworben“, sagt Kalb. Für 2016 erwartet Fitch einen Rückgang beim Neugeschäft. Dies liege auch für die Ratingagentur zum einen daran, dass sich die Kunden erst mit den neuen Produkten auseinandersetzten müssen; zum Anderen drücke das Niedrigzinsumfeld die Renditen von Altersvorsorgeprodukten generell und damit deren Absatzpotenzial. (mb1)